Bemerkungen zur Aufführung der Oper "Der fliegende Holländer" (1852)

Wagner verfasste die "Bemerkungen" 1852 in Zürich und veröffentlichte diese Schrift von nur acht Seiten Umfang als Privatdruck in einer kleinen Auflage. Der Auslöser, seine Überlegungen zur Regie der Oper schriftlich festzuhalten, war die Aufführung des "Fliegenden Holländer" durch Franz Liszt in Weimar anlässlich des Geburtstags der Großherzogin am 16. Februar 1853. Am Hoftheater in Weimar übernahm Liszt sowohl die Aufgabe des Regisseurs wie des Dirigenten. Wagner versprach Liszt in einem Brief vom 22. Dezember 1852, er werde "nächste Woche" die "Bemerkungen" erhalten. Da Wagner als polizeilich gesuchter Flüchtling nicht nach Deutschland reisen konnte, war dies sein Versuch, aus der Ferne Regie zu führen. 1849 hatte Wagner bereits für Liszt Instruktionen für die Aufführung des "Lohengrin" verfasst; wenig später publizierte er Anweisungen für den "Tannhäuser". Die Aufführung des "Holländer" in Weimar war erst die dritte Inszenierung nach der Uraufführung an der Hofoper in Dresden (2. Januar 1843) und der zweiten Inszenierung am Königlichen Schauspielhaus in Berlin (7. Januar 1844).

Wagner forderte für sein Werk eine enge Verbindung von musikalischer Gestaltung und szenischer Darstellung; die Arbeitsteilung zwischen Dirigent, der nur das Orchester leitet, dem Regisseur, der die Inszenierung überwacht und den Darstellern auf der Bühne entsprach nicht seinen Vorstellungen. In seinen "Bemerkungen" versuchte er den Zusammenhang dieser drei Bereiche herzustellen, wobei er sich auf die exemplarische Beschreibung der ersten Szene des ersten Aktes beschränkte. Für die Gestaltung der Szene verlangte Wagner eine möglichst naturgetreue Umsetzung. Realistisch sollte auch die Darstellung des Wetters sein mit Hilfe von Schleierprospekten sein, wobei Wagner den Einsatz dieser Prospekte für den gesamten Bühnenraum verlangte. Für die Bühnenbilder verwies Wagner auf die Aufführung am Schauspielhaus in Berlin, die, wie er später in "Mein Leben" schrieb, ganz seinen Vorstellungen entsprachen. Wagner hatte in Berlin die Leitung des Orchesters übernommen, der Regisseur war Carl Blum, der aufgrund seiner Erfahrungen als Opernsänger, in der Lage war, Wagners Vorstellungen umzusetzen. Die Bühnenbild-Entwürfe für diese Inszenierung, ausgeführt durch den Berliner Theatermaler Gerst, sind bekannt: praktisch sämtliche Bühnenbilder für diese Inszenierung des „Fliegenden Holländers“ sollten aus den bereits im Fundus des Theaters vorhanden Dekorationen zusammengestellt werden. Das Bühnenbild mit den beiden Schiffen für den Ersten Aufzug aus einem Ballett „Der Seeräuber“, ein Mast aus einer Aufführung von Carl Maria von Webers „Oberon“. Für den Zweiten Aufzug – laut Anweisung Wagners im Textbuch „Ein geräumiges Zimmer im Hause Dalands“ – war die Dekoration von Gretchens Zimmers aus Goethes „Faust“ nach dem Entwurf Schinkels vorgesehen. Laut Goethes Anweisung im Text des „Faust“ „ein kleines reinliches Zimmer“. Als das Haus Dalands im Dritten Aufzug sollte das Haus aus Schillers „Wilhelm Tells“ dienen.

Wagner verlangte für die Darstellung der Figur des Holländer eine enge Übereinstimmung von Bühnenaktion und Orchester. Bei der Uraufführung in Dresden erschien ihm die Bühnendarstellung des Bariton Michael Wächter als völlig unzureichend. Die Verbindungen von Aktion und Musik beschrieb er daher für diese Rolle im Detail. So sollte der erste Schritt des Holländers an Land mit der erste Note des Ritornells der Arie zusammenfallen; sein zweiter Schritt hatte auf dem ersten Viertel des dritten Taktes des Orchesters zu erfolgen; der dritte und der vierte Schritte sollten langsamer ausgeführt werden und mit dem achten und zehnten Takt zusammenfallen.

Die "Bemerkungen" belegen eindrucksvoll, dass Wagners zur gleichen Zeit formulierten Überlegungen zum Gesamtkunstwerk nicht nur einen utopischen Entwurf darstellten, sondern ein zentrales Element seines eigenen Opernschaffens waren. Mit der engen Verbindung von Musik, Bühnenbild und Szene, die er hier erstmals anstrebte, reformierte Wagner die Opernpraxis seiner Zeit und wurde zu einem wesentlichen Vorbild für die Entwicklung der modernen Opernregie.