Der Ring des Nibelungen

"Der Ring des Nibelungen" ist als "Bühnenfestspiel für drei Tage und einen Vorabend konzipiert" und besteht aus vier Teilen mit einer ungefähren Länge von fast 16 Stunden:

Das Rheingold (Vorabend)
Die Walküre (1.Tag)
Siegfried (2.Tag)
Götterdämmerung (3.Tag)

Uraufführung
13. bis 17. August 1876, Bayreuth (Festspielhaus)

Wagner konzipierte das Mammutwerk als neue Form einer romantischen Oper, die als Gesamtkunstwerk Text, Musik, Schauspiel, Tanz, Bühnenbild, Kostüm und Effekte verbindet. Ein künstlerischer Ansatz, der die Welt der Musik und Oper revolutionierte und bis heute nachhaltige Wirkung zeigt. Die Initialzündung für den "Ring des Nibelungen" hatte Richard Wagner 1843, als er in Jacob Grimms "Deutscher Mythologie" die Geschichten von Wotan, Siegfried und den Walküren las. Diese basieren auf der "Nibelungensage", die - nicht zuletzt dank Wagner - im 19. Jahrhundert zum deutschen Nationalepos wird. Neben der mittelalterlichen Sage diente ihm die nordische Mythensammlung Edda als Grundlage, allerdings veränderte Wagner viele Charaktere und Motive. Er begann 1848 mit den Arbeiten an der Dichtung, die er 1853 vollendete. Die Musik beschäftigte Wagner ungleich länger. Es dauerte bis zum 21. November 1874, bis Wagner auf die letzte Seite der Partitur die erlösende Notiz schreiben konnte: "Vollendet in Wahnfried; ich sage nichts weiter!! R.W."

 

Entstehungsgeschichte

Die ersten "Ideen" zum "Nibelungenwerk" Wagners gehen auf das Jahr 1843 zurück, als Wagner in Dresden Hofkapellmeister war und sich u. a. intensiv mit den deutschen Sagen, der Edda, den griechischen Mythologien und dem Gral-Mythos beschäftigte. 1848 schrieb Wagner – nachdem er seine Oper Lohengrin vollendet hatte – eine Zusammenfassung seiner Mythologie-Studien mit dem Titel Die Wibelungen, Weltgeschichte aus der Sage, sowie einen ersten Nibelungen-Prosaentwurf mit dem Titel: Der Nibelungen-Mythus, Entwurf zu einem Drama. Die Intention Wagners war eine kritische Auseinandersetzung mit der menschlichen Gesellschaft, für die er – in Anlehnung an griechische Tragödien-Vorbilder – die germanische Götterwelt als Vorlage benutzte, wobei er die meisten Namen abwandelte, beispielsweise wurde aus Odin Wotan, aus Loki Loge oder aus Brunhild Brünnhilde. Der germanische Held und "freie Mensch" Siegfried sollte wie Prometheus gegen die etablierten Götter kämpfen und durch einen gemeinsamen Erlösungstod mit Brünnhilde eine bessere (natürlichere) Ordnung einleiten. Ring und Gold (sie symbolisieren hier Macht und Kapital), Verträge und Betrug, Auflehnung und Scheitern eines Helden – all das sind zyklisch wiederkehrende Archetypen und zeitlose mythische Themen, die Wagner in seinem Musikdrama verwendet. So verknüpft er Heldensage und Göttermythos zu einem Drama ungeheuren Ausmaßes, in dem auf der Bühne nicht nur durch Inzest ein Held gezeugt wird, sieben Morde geschehen und ein Freitod zelebriert wird, sondern die Welt in einem Flammenmeer und einer Flut untergeht ... um Platz zu machen für eine neue Ordnung (ein immer wiederkehrender Zyklus des Lebens).

Ursprünglich wollte Wagner zunächst nur die bekannte Sage von Siegfrieds Tod dramatisch und musikalisch bearbeiten. Nachdem er das Textbuch zu Siegfrieds Tod geschrieben hatte und zu komponieren versuchte, erkannte er jedoch, dass zu viel Vorgeschichte fehlte, die nur episch, nämlich in der Erzählung der Nornen, ins Drama eingefügt war.

Wegen der Ereignisse während des Dresdner Maiaufstandes von 1849, an dem sich Wagner beteiligte, musste er nach Zürich fliehen und lebte dort fast 10 Jahre im Exil. Ab 1852 begann er mit den Arbeiten an seinem "Nibelungenring", erste Ideen entstanden während einer Kur in der Kaltwasserheilanstalt Albisbrunn am Zürichsee. Als Ergänzung zum ersten Teil schrieb er Der junge Siegfried (später nur Siegfried genannt). Weil jedoch immer noch vieles im Unklaren blieb, schrieb Wagner schließlich, sich weiter rückwärts "vorarbeitend", auch noch Das Rheingold (ursprünglicher Titel: Der Raub des Rheingoldes) und zuletzt Die Walküre. Schon früh wurde ihm bewusst: "Mit meiner Konzeption trete ich gänzlich aus allem Bezug zu unserem heutigen Theater und Publikum heraus, breche für immer mit der formellen Gegenwart." Er entwickelte die Idee eines Gesamtkunstwerkes und Bühnenfestspiels, vorzugsweise am Ufer des Rheins:

Am Rheine schlage ich dann ein Theater auf, und lade zu einem großen dramatischen Feste ein:
Nach einem Jahre Vorbereitung führe ich dann im laufe von vier Tagen mein ganzes Werk auf.

Die gesamte Textfassung Wagners umfasst etwa 700 handgeschriebene Seiten und entstand im Wesentlichen in Zürich. Ein reger Schriftverkehr mit seinen Freunden Theodor Uhlig, August Röckel und Franz Liszt dokumentiert das Werden des Rings und verdeutlicht die Intentionen Wagners. Im Februar 1853 stellte Wagner sein Werk erstmals in Form einer Lesung an vier Abenden seinen Freunden und der Öffentlichkeit vor. Wenig später begann er mit der Komposition, diesmal allerdings in der richtigen Reihenfolge, mit dem Anfang (Das Rheingold) beginnend. Bis März 1857 komponierte Wagner an seinem Ring und kam bis zum 2. Akt des Siegfried. Aus verschiedenen Gründen unterbrach er seine Arbeit und konnte diese erst wieder (mit Förderung des Bayerischen Königs Ludwig II.) im Jahre 1869 in Tribschen am Vierwaldstättersee aufnehmen. Im August 1872 vollendete er dann in Bayreuth die letzten Orchesterskizzen der Götterdämmerung und legte sich dabei auch – nach vielen Varianten – endgültig auf den heute bekannten Schlusstext fest.

Die gesamte Partitur wurde erst kurz vor der Uraufführung zu den Festspielen im Jahre 1876 vollendet. Text und Musik fasste Wagner als eine Einheit auf, die vor allem das "Gefühl" der Zuhörer ansprechen sollte. Mit Hilfe von über 100 musikalischen Leitmotiven (Erinnerungsmotiven, mit denen auch "Gedanken" auszudrücken sind) und einer geschickten Instrumentierung gelang ihm eine bis dahin nicht erreichte Hör-Emotionalität.

 

Synopsis

Die Handlung des "Ring" geht über mehrere Generationen, über 30 tragende Figuren spielen mit. Zu Beginn raubt der Nibelung Alberich dem Rhein das Rheingold, das die Macht hat, alles zu beherrschen, und schmiedet daraus einen Ring. Dafür zahlt er einen hohen Preis: Er muss fortan der Liebe entsagen. Der Göttervater Wotan hat unterdessen ein anderes Problem. Er ließ sich von den Riesen Fafner und Fasolt eine Burg bauen und versprach ihnen als Bezahlung die Göttin Freia. Doch Wotan überlegt es sich anders und will die Riesen mit Alberichs Ring entlohnen. Wotan raubt Alberich den Ring, worauf dieser den Ring verflucht. Der Fluch zeigt Wirkung: Fafner erschlägt seinen Bruder und zieht mit dem Ring davon. Jahre später kommt Siegfried ins Spiel, der von Alberichs Bruder Mime großgezogen wird. Siegfried, der nicht weiß, dass er zu Wotans Plan gehört, die Welt vom Fluch des Ringes zu erlösen, erschlägt Fafner, der sich inzwischen in einen Drachen verwandelt hat, und nimmt den Ring an sich. Siegfried verliebt sich in Brünnhilde und überlässt ihr den Ring als Liebespfand. Hagen, der Sohn Alberichs, flößt Siegfried einen Zaubertrank ein, worauf dieser Brünnhilde vergisst und sich in Gutrune verliebt. Siegfried nimmt Brünnhilde den Ring wieder ab, worauf diese Hagen aus Rache Siegfrieds verwundbare Stelle verrät. Hagen tötet Siegfried, der in seiner letzten Stunde wieder klar sieht und um seine Liebe zu Brünnhilde weiß. Brünnhilde lässt einen Scheiterhaufen für Siegfried errichten und stürzt sich zu ihrem Geliebten in die Flammen. Darauf tritt der Rhein über seine Ufer und die Rheintöchter holen sich zurück, was ihnen gehört: den Ring. Der Fluch ist beendet durch Brünnhildes Liebe. Doch auch das Ende der Götter ist besiegelt, denn die Flammen des Scheiterhaufens entzünden Walhall, den Wohnsitz der Götter. Eine neue, ungewisse Weltordnung bricht an.

 

Rollen
in der Reihenfolge ihres Erscheinens auf der Bühne:

Woglinde (Sopran), Wellgunde (Mezzosopran), Floßhilde (Alt), die das Gold bewachenden Rheintöchter.
Alberich (Bariton), liebloser "Nachtalbe", Räuber des Rheingoldes, Besitzer des magischen Rings und des Tarnhelms, mit deren Hilfe er das Reich der Nibelungen beherrscht. Er ist der "Proletarier" und Gegenspieler Wotans. Es ist nicht gesichert, ob er das Ende der Tetralogie überlebt.
Wotan (Bariton), der Gott, Naturfrevler, Machtmensch und Herrscher der Welt, "Lichtalbe", er schuf die "Gesetze", die im aus der Weltesche geschnittenen Vertragsspeer eingeritzt sind, und ließ die Götterburg Walhall zur Festigung seiner Macht erbauen. Ist auch als Wälse und Wanderer unterwegs. An seiner Machtpolitik – er hält die eigenen Gesetze nicht ein – wird die Welt zugrunde gehen.
Fricka (Mezzosopran), die Ehefrau Wotans, Hüterin von Ehe und Moral.
Freia (Sopran), Göttin der ewigen Jugend, symbolisiert durch goldene Äpfel.
Donner (Bariton), Gott der Gewalt und des Zornes, symbolisiert durch den Hammer.
Froh (Tenor), Bruder von Freia und Herrscher über Regen und Sonnenschein.
Loge (Tenor), der listigste Halbgott, der mit dem Feuer spielen und auch gut lügen kann.[12]
Mime (Tenor), der weise Schmied, Alberichs Bruder, schmiedete den Tarnhelm.
Fasolt und Fafner (beide Bass), die redlich arbeitenden Riesen, die für die Götter Walhall bauten. Nachdem sie über die Aufteilung des Lohnes in Streit geraten waren, erschlägt Fafner Fasolt aus Goldgier. Fafner verwandelt sich mit Hilfe des Tarnhelms in einen Drachen.
Erda (Alt), Mutter der Weisheit und Wahrsagerin, wird später von Wotan geschwängert und somit Mutter der Walküren.
Siegmund (Tenor) aus dem Stamme der Wälsungen, ein Menschensohn Wotans, der das Schwert Nothung erobert.
Sieglinde (Sopran), seine verloren geglaubte Zwillingsschwester, die seine Geliebte wird.
Hunding (Bass), Anführer einer Sippe und der finstere Ehemann der Sieglinde.
Brünnhilde (Sopran), Tochter von Wotan und Erda. Wotans Lieblingstochter und bevorzugte Walküre.
Die acht Walküren (Gerhilde (Sopran), Ortlinde (Sopran), Waltraute (Alt), Schwertleite (Alt), Helmwige (Sopran), Siegrune (Mezzosopran), Grimgerde (Alt), Rossweiße (Mezzosopran)) bringen die gefallenen Helden nach Walhall.
Siegfried (Tenor), wilder Sohn der Wälsungen Sieglinde und Siegmund und somit der Enkel Wotans, der Nothung neu schmiedet, Fafner und Mime erschlägt, den Nibelungenschatz gewinnt und Brünnhilde erweckt und zur Frau nimmt.
Ein Waldvogel (Sopran) weist dem jungen Siegfried den Weg zu Brünnhilde.
Die Nornen (Sopran, Mezzosopran, Alt), drei weise Frauen, Töchter der Erda, die am Weltgeschehen flechten.
Gunther (Bariton), Anführer der Gibichungen am Rhein.
Gutrune (Sopran), seine Schwester, verliebt sich in Siegfried.
Hagen (Bass), der bleiche Sohn Alberichs und Halbbruder Gunthers.

Die Uraufführung des "Ring" war von vielen Pannen begleitet. Der Kopf des Drachen Fafner ist falsch montiert, Seitenwände werden zu früh weggezogen, Farbdämpfe wehen in die falsche Richtung und verursachen Hustenanfälle bei Orchester und Publikum. Sänger Franz Betz, der den Wotan spielt, erleidet einen Zusammenbruch, nachdem er sich im "Rheingold" diverse Fauxpas leistet: Er lässt den Ring fallen und rennt gegen die Kulissen. Deshalb muss ein Ruhetag zwischen "Walküre" und "Siegfried" eingelegt werden. Doch das Publikum sieht über die Startschwierigkeiten hinweg, die Reaktionen sind nahezu ohne Ausnahme überwältigend. Wagner wird weltweit für seinen "Ring" gepriesen und auf eine Stufe mit den größten Komponisten aller Zeiten gestellt. Die Interpretationen seines Hauptwerkes gehen dabei in alle möglichen Richtungen: Manche sehen darin eine Allegorie des Kapitalismus, andere eine Auseinandersetzung mit der Industrialisierung und der Zerstörung der menschlichen Lebenswelt. Auch wird der "Ring" als religionskritisches Werk gedeutet, in dem die Philosophen Schopenhauer, Feuerbach und der Wagner-Freund Nietzsche ihre Spuren hinterlassen haben.