Cosima von Bülow-Liszt (1837 – 1930)

 Cosima Wagner
   
  Cosima Wagner
   

„Alle 5000 Jahre glückt es.” So resümierte Wagner am Vorabend seines Todes seine Liebe zu Cosima. Sie vereinigte alle Eigenschaften, die Wagner sich von seiner Lebensgefährtin erwünschte. Sie verband ihr Leben bedingungslos mit dem seinen. Ihm einzig und allein zu leben erschien ihr als der alles entscheidende und ausschließliche Sinn ihres Daseins.

Zur ersten Begegnung der fünfzehnjährigen Cosima mit Wagner kam es anlässlich eines Privatdiners bei ihrem Vater Franz Liszt am 10. Oktober 1853. Wagners Eindruck von Cosima war vor allem der „anhaltender Schüchternheit” (Mein Leben). Am 18. August 1857 heiratete sie Liszts Schüler Hans von Bülow. Die Ehe der beiden stand von Beginn an unter keinem guten Stern, sie entsprach bürgerlicher Konvention. Bülow glaubte, seinem bewunderten Lehrer Franz Liszt den Gefallen schuldig zu sein, dessen Tochter Cosima mit der Heirat die Existenz zu sichern. Kaum ein Jahr später war Cosima bereits das Verfehlte ihrer Ehe zu Bewusstsein gekommen. In diesem innerlich aufgewühlten Zustand begegnete sie bei ihrem Besuch in Wagners Zürcher Asyl im September 1857 erstmals dem Tristan, der ihr die Tragik ihres eigenen Lebens vor Augen führte. Cosima „hörte mit gesenktem Kopf zu und gab nichts von sich; wenn man in sie drang, fing sie an zu weinen” (Mein Leben)

Der Plan eines gemeinsamen Freitodes mit Wagners ebenfalls unglücklichem jungen Freund Karl Ritter war der verzweiflungsvolle Ausbruch dieses Dilemmas: „Bei ihrer Zurückkunft zeigt sich Cosima auffallend erregt, und dies äußerte sich namentlich in krampfhaft heftigen Zärtlichkeiten gegen mich. Noch beim Abschied am folgenden Tage fiel sie mir zu Füßen, bedeckte meine Hände mit Tränen und Küssen” (Richard Wagner an Mathilde Wesendonck).

Zweifellos suchte Cosima nach einer Mission, in deren Dienst sie ihr Leben hätte stellen können. Das Erlebnis der alle Fesseln sprengenden Liebesleidenschaft Wagners in seiner tragischen Beziehung zu Mathilde Wesendonck und sein im Tristan zur Blüte gelangtes künstlerisches Genie machte ihr klar, dass ihre Verbindung mit Bülow ein Irrtum sei und dass es ihr nicht gelingen werde, aus ihm einen großen, schöpferischen Künstler zu machen, dem hätte ihr Leben weihen können. Im Gegenteil: Bülow stellte seine nicht unbeträchtliche Begabung vollständig in den Dienst der Kunst Richard Wagners. Alle Versuche Cosimas, ihn zu eigenem produktiven künstlerischen Schaffen zu inspirieren, scheiterten.

Die nächste entscheidende Begegnung des Ehepaars von Bülow mit Richard Wagner ergab sich in den Sommermonaten des Jahres 1862, als sie ihn in Biebrich besuchten. Das Verhältnis zu Wagner zeigte sich bei diesem Besuch in ambivalentem Wechselspiel zwischen geheimnisvoller Unentschiedenheit und exaltierter Heiterkeit: „An Cosima schien sich [...] die bei meinem Besuch in Reichenhall vor einem Jahre von mir wahrgenommene Scheu in freundlichstem Sinne verloren zu haben. Als ich eines Tages den Freunden in meiner Weise „Wotans Abschied” vorgesungen hatte, gewahrte ich in Cosimas Mienen denselben Ausdruck, den sie mir damals zu meinem Erstaunen bei jenem Abschied in Zürich gezeigt hatte: nur war diesmal das Ekstatische desselben in eine heitere Verklärung aufgelöst. Hier war alles Schweigen und Geheimnis, nur nahm mich der Glaube an ihre Zugehörigkeit zu mir mit solcher Sicherheit ein, dass ich bei exzentrischer Erregung es damit selbst bis zu ausgelassenem Übermute trieb. Als ich jetzt in Frankfurt Cosima über einen offenen Platz nach dem Gasthof geleitete, fiel es mir ein, sie aufzufordern, sich in eine leer dastehende einräderige Handkarre zu setzen, damit ich sie so in das Hotel fahren könne: augenblicklich war sie hierzu bereit, während ich, vor Erstaunen wiederum hierüber, den Mut zur Ausführung meines tollen Vorhabens verlor” (Mein Leben).

Cosima Wagner Cosima Wagner Cosima und Richard Wagner
         
Cosima (stehend), Daniel, Blandine, Oma Anna Liszt, Erzieherin Mme de Saint-Mars um 1853   Cosima Wagner (1877)   Cosima und Richard Wagner

Wagner verkörperte all das, was sich Cosima vergebens von Hans von Bülow erhofft hatte. Der wortlosen Übereinstimmung zwischen Wagner und Cosima angesichts ihrer beider unbefriedigenden persönlichen Lage standen zu dieser Zeit allerdings noch die Beziehungen Wagners zu Mathilde Maier und Friederike Meyer entgegen, während er sich Mathilde Wesendonck gegenüber in die Rolle des resignierenden Hans Sachs stilisierte.

Am 28. November 1863 traf Wagner beim Ehepaar Bülow zu Besuch ein: „Da Bülow Vorbereitungen zu seinem Konzerte zu treffen hatte, fuhr ich mit Cosima allein noch einmal in einem schönen Wagen auf die Promenade. Diesmal ging uns schweigend der Scherz aus: Wir blickten uns stumm in die Augen, und ein heftiges Verlangen nach eingestandener Wahrheit übermannte uns zu dem keiner Worte bedürfenden Bekenntnisse eines grenzenlosen Unglückes, das uns belastete. Unter Tränen und Schluchzen besiegelten wir das Bekenntnis, uns einzig gegenseitig anzugehören. Uns war Erleichterung geworden. [...] Nach einer in der Bülowschen Wohnung verbrachten Nacht trat ich meine Weiterreise an, beim Abschied an jene erste wunderbar ergreifende Trennung von Cosima in Zürich in der Weise gemahnt, dass mir die dazwischenliegenden Jahre als ein wüster Traum zwischen zwei Tagen der höchsten Lebensentscheidung verschwanden.” (Mein Leben)

Am 4. Mai 1864 stand Richard Wagner erstmals vor König Ludwig II. Zehn Tage später zog er in das von Ludwig II. gemietete Landhaus Pellet am Starnberger See. Nachdem durch das königliche Mäzenat der drohende vollständige materielle Ruin Wagners abgewendet war, blieb nur mehr die Klärung seiner privaten Verhältnisse eine offene Frage. Nach nichts sehnt sich Wagner mehr, als sich nach den langen Jahren seit seinem Verhältnis mit Mathilde Wesendonck und den hin- und herreißenden Turbulenzen zwischen mehreren Frauen wieder in eine feste und dauerhafte Bindung zu geben. Eine letzte Bitte an Mathilde Maier‚ zu ihm zu ziehen, wurde von dieser zurückgewiesen; Wagners formal noch immer bestehende Ehe hätte beide kompromittieren müssen.

Wagner wusste, dass einzig Cosima die Frau sein könnte, diese Rolle zu spielen. Doch nach den Vorfällen des vergangenen Jahres zögerte er zunächst, die Familie Bülow in das Haus Pellet einzuladen. Doch schließlich ließ er alle Bedenken fallen und flehte Hans von Bülow in einem Brief an, mit Frau und Kindern zu ihm zu kommen. Ende Juni 1864 reisten Cosima und ihre beiden Töchter Daniela und Blandine im Alter von dreieinhalb und eineinviertel Jahren Bülow voraus nach Starnberg, da dieser noch zehn Tage durch Berufspflichten in Berlin festgehalten wurde. Mit dem Wiedersehen Wagners und Cosimas war die vor Jahresfrist noch mühsam unterdrückte Leidenschaft nicht mehr zu bändigen, und so geschah das Unabwendbare. Immer entscheidender war die Überzeugung in ihr herangereift, dass sie vom Schicksal berufen sei, die Frau an Wagners Seite zu sein. Keine Hemmung und kein Wanken hinderte sie nun, auf ihr Ziel zuzugehen. In einem ihrer Briefe an Franz von Lenbach schrieb sie: „Ich begreife immer weniger, wie ein Wesen wie Wagner in unsere jetzige Welt geschleudert wurde, und freue mich nur dessen, dass ich es erkennen durfte. Diese Erkenntnis hat mir auch meinen Weg gezeichnet, und ich denke nichts mehr, als die Erfüllung meines Amtes, in welcher meine Seligkeit ruht.”

 Cosima Wagner
   
  Cosima Wagner (1905)
   

Mit Wagners Umzug in die Brienner Straße in München stellte Cosima sich ganz in seinen Dienst. Wagner hatte beim König die Ernennung Bülows zum königlichen Vorspieler erwirkt, so dass das Ehepaar nach München übersiedeln konnte. Bülow ahnte zu diesem Zeitpunkt von dem Verhältnis seiner Frau zu Wagner nichts. Dabei brachte Cosima am 10. April 1865, Hans von Bülow leitete an diesem Tage die erste Orchesterprobe zur Uraufführung von Tristan und Isolde in München, das erste gemeinsame Kind mit Wagner zur Welt: Isolde. Wohl hätte Wagner den Mut gehabt, die Dreieckskonstellation zwischen ihm, Cosima und Bülow durch ein offenherziges Geständnis zu sprengen, dies hätte jedoch unausweichlich die Scheidung von Cosima und Bülow zur Folge haben müssen. Ein künstlerisches Zusammenwirken zwischen Wagner und Bülow in München wäre mithin nicht mehr möglich gewesen, und die Offenlegung des Verhältnisses hätte auch Wagners Beziehung zu König Ludwig II. gefährdet.

Es war nun das Schicksal Wagners, die geliebte Frau nicht offen besitzen zu dürfen, die Belastung Cosimas, sowohl die Rolle der Geliebten des Freundes wie die der Gattin ihres Mannes zu spielen, und die Tragödie des ahnungslosen Hans von Bülow, dem besten Freund Wagners. Doch bald begann man in München zu munkeln, und nicht zuletzt das Verhältnis zu Cosima wurde Wagner neben den Vorwürfen der Verschwendung von Staatsgeldern zum Verhängnis. Unter der Androhung seines Rücktritts zwang das Kabinett Ludwig II., Wagner aus München auszuweisen.

Am 15. April 1868 bezog Wagner das Haus Tribschen bei Luzern. Er ludt Hans von Bülow ein, mit seiner Familie zu ihm zu ziehen. Vor allem ist es die Sehnsucht nach familiärer Geborgenheit und der Wunsch nach Nähe zu Cosima, die ihn hierzu veranlasste. Einen knappen Monat später traf Cosima mit ihren Kindern Daniela, Blandine und Isolde in Tribschen ein. Ein Brief Wagners an Cosima, der erst nach ihrer Abreise aus München dort ankam und von Bülow geöffnet wurde, enthüllte diesem die ganze Wahrheit. Das Lügengebäude der vergangenen zwei Jahre bracht in sich zusammen.

Am 17. Februar 1867 gebar Cosima Wagners zweite Tochter Eva. Doch erst am 16. November 1868, immer wieder gehindert durch den Druck des öffentlichen Skandals, zog Cosima endgültig und für immer zu Wagner nach Tribschen. Am 6. Juni 1869 wurde Siegfried, das dritte Kind von Cosima und Wagner geboren.

Die Jahre in Tribschen waren wohl die glücklichsten in Richard Wagners Leben. Nach den Turbulenzen des Münchner Skandals fand er hier die nötige Ruhe und erstmals auch die so sehr ersehnte Geborgenheit im Schoße seiner nun eigenen Familie. Wagner diktiert Cosima seine Autobiographie, sie wiederum hält von nun an jeden Tag des Zusammenlebens in ihren Tagebüchern fest.

Neun Tage nach der Geburt ihres Sohnes Siegfried bat Cosima Hans von Bülow brieflich darum, in die Scheidung einzuwilligen und ihr auch die gemeinsamen Töchter Daniela und Blandine zu überlassen. Bülow stimmte zwei Tage später zu. Die unerfreulichen Querelen um das Verhältnis zwischen Wagner und Cosima fanden damit sowohl nach innen wie auch nach außen endlich ihr Ende. Doch auch in dem idyllischen Tribschen blieben Wagner und Cosima nicht von den Ausläufern der Münchner Affäre verschont. So stellte der Gemeinderat der Nachbargemeinde Horw den Antrag, Wagner seines anstößigen Lebenswandels wegen aus- zuweisen. Eine formale Regelung der privaten Verhältnisse war daher unabdingbar: am 18. Juli 1870 wurde die Ehe Cosimas mit Hans von Bülow in Berlin geschieden.

Am 25. August 1870 wurden Richard und Cosima in der protestantischen Kirche von Luzern getraut. Cosima schrieb in ihr Tagebuch: „Um 8.00 Uhr fand unsere Trauung statt; möge ich würdig sein, R.‘s Namen zu tragen! Meine Andacht hat sich auf zwei Punkte gesammelt, R.‘s Wohl, dass ich es stets befördern konnte; Hansen‘s Glück, dass es ihm fern von mir beschieden sei, ein heiteres Leben zu führen."

Fortan erschien Cosima wie ein Schatten Richard Wagners. Sie wurde die allgegenwärtige Vertraute des Meisters und seine unentbehrliche Stütze.

1872 wurde Tribschen schweren Herzens aufgegeben, und die Familie siedelte nach Bayreuth über. Hier sollte als Krönung von Wagners Lebenswerk das eigene Festspielhaus entstehen. Cosima teilte alle Aufregungen und Sorgen bei den Problemen, die der Bau des Festspielhauses und die Vorbereitung der Festspiele mit sich brachten. In Festspielhaus und Wahnfried‚ dem ersten eigenen Wohnhaus Richard Wagners und seiner Familie, vollendete sich das Leben des Künstlers und fand sein „Wähnen Frieden“. Cosima, in steter Sorge um Richard Wagners Wohlergehen, war bemüht, alle Aufregungen von ihm fernzuhalten, und so die Voraussetzungen für sein weiteres Schaffen herzustellen. Unter Aufbietung aller Kräfte und mit dem ihr eigenen Leidenspathos nahm sie alle Empfindlichkeiten und Launen des alternden Meisters bis hin zu den Affären mit Judith Gautier und der letzten Schwärmerei für die Sängerin Carrie Pringle hin.

Am 13. Februar 1883 starb Richard Wagner im Palazzo Vendramin in Venedig in Cosimas Armen. Der erste Ruf der Außenwelt erreichte Cosima, die innig versucht hatte, Wagner nachzusterben, in Form eines Telegramms von Hans von Bülow: „Sœur, il faut vivre.”