| Leipzig 
            
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              |  | Richard Wagners Geburtshaus auf dem Brühl in Leipzig, das 1886 wegen Baufälligkeit abgerissen wurde. |  
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              |  |  |  Ein Kriegskind kommt zur Welt Als Richard Wagner an einem Sonnabend geboren wurde, "am 22. Mai 1813 in Leipzig auf 
            dem Brühl im ,Roten und Weißen Löwen', zwei Treppen hoch" (Brühl 3), wie er in "Mein 
            Leben" schreibt, hielten französische Truppen die Stadt besetzt, und im nicht allzu fernen 
            Dresden lagen preußische und russische Soldaten. Das normale bürgerliche Leben, das 
            Leben in der Stadt und das des Staates waren aus der Ordnung und kamen auch in den 
            folgenden Wochen und Monaten nur schwer ins Reine. 
            Jahre der Unruhe und des Elends lagen zurück, der Kampf 
            zwischen Napoleon und seinen Gegnern um die 
            Vorherrschaft in Europa ging seinem Ende entgegen und 
            mit ihm eine Zeit der Kriege, die auch die Familie Wagner 
            mehrfach betroffen hatten.  Richard Wagner war das neunte Kind des Polizeiaktuars 
            Carl Friedrich Wilhelm Wagner (1770 – 1813) und seiner 
            Frau Johanna Rosine (1778 – 1848). Der Vater, ein 
            studierter Jurist und sehr erfolgreicher Beamter in 
            sächsischen Diensten, hatte eine ausgeprägte Neigung zum 
            Theater und zur Literatur, kannte Goethe und Schiller und 
            war, wie E.T.A. Hoffmann bemerkte, der ihn im Juni 1813 in 
            Leipzig kennenlernte, ein "exotischer Mensch". Die Mutter, 
            Tochter des Bäckermeisters Pätz aus Weißenfels an der 
            Saale, war eine schöne Frau und musisch begabt. Schon kurz nach seiner Geburt war Richard erstmals auf der Flucht. Die Mutter verließ das 
            kriegsgebeutelte Leipzig zusammen mit den Kindern, zog für kurze Zeit ins nahe gelegene 
            Stötteritz (heute ein südöstlich vom Zentrum gelegener Stadtbezirk Leipzigs), um den 
            militärischen Wirren zu entgehen und weiter ins böhmische Teplitz. Nach der Rückkehr nach 
            Leipzig ließen die Wagners ihren jüngsten Sohn am 16. August 1813 in der Leipziger 
            Thomaskirche auf den Namen Wilhelm Richard taufen. Kurz danach, am 26./27. August, 
            errang Napoleon bei Dresden einen letzten Sieg, bevor er vom 16. bis 19. Oktober endgültig 
            in der "Völkerschlacht" bei Leipzig 
            besiegt wurde. Als Richards Vater am 
            23. November mit dreiundvierzig 
            Jahren an Typhus starb, eine Folge 
            des Krieges, heiratete Ludwig Geyer 
            (1778 – 1821), langjähriger Freund der 
            Familie, Schauspieler, Maler und 
            Dichter, Richards Mutter am 28. August 
            1814 und siedelte mit der Familie nach 
            Dresden über. Jugend zurück in Leipzig Als Geyer 1821 starb wurde die Familie Wagner auseinander gerissen. Gegen Ende des 
            Jahres 1827 zog Richard zurück nach Leipzig, wo die Familie inzwischen wohnte. Leipzig 
            hatte sich zu diesem Zeitpunkt von den Wirren des Krieges leidlich erholt und war mit seinen 
            41.000 Einwohnern, darunter etwa 1.500 Studenten, ein kulturelles und wirtschaftliches 
            Zentrum in Mitteldeutschland. Vor allem der deutsche Buchhandel und das Verlagswesen 
            blühten. Der international tätige Verlag "F. A. Brockhaus", mit dessen beiden Firmenerben Heinrich und Friedrich Brockhaus Wagner später über seine Schwestern Luise und Ottilie 
            verschwägert sein sollte, hatte hier seinen Firmensitz und eine eigene Druckerei. 
            
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              |  | Leipziger Nikolai-Gymnasium |  
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              |  |  |  Man traf sich in traditionsreichen Gasthäusern und Cafés wie dem Haus Zum Arabischen 
            Coffe Baum, in dem bereits Johann Christoph Gottsched (1700 – 1766) und Gotthold 
            Ephraim Lessing (1729 – 1781) verkehrt waren, und in Auerbachs Keller, der durch 
            Goethes "Faust" weltbekannt geworden war. Dazu kamen neue Lokale wie Georg Kintschys 
            1824 eröffneter Kaffeegarten Schweizerhäuschen, in dem auch Konzerte – später auch 
            frühe Kompositionen von Wagner – gespielt wurden. Richard wohnte bei der Mutter "im 
            Pichhof vor'm hallischen Tor, 1 Treppe" – etwa dort gelegen, wo sich heute der 
            Haupteingang des Hauptbahnhofs befindet. Unter seinem Geburtsnamen Wagner (in 
            Dresden trug er den Namen seines Stiefvaters Geyer) wurde er Schüler des Nikolai- 
            Gymnasiums (Nikolaikirchhof 2). Eine Zurückversetzung in die Obertertia verärgerte den 
            hochbegabten und eigenwilligen Jugendlichen: 
            "Während zunächst nun das täglich vor meinen 
            Augen sich ausbreitende Studentenleben mich 
            immer mehr mit seinem auflehnungssüchtigen Geiste 
            erfüllte, fand ich von einer anderen, ernsteren Seite 
            her unerwartet eine neue Anregung zur Verachtung 
            des Schulpedantismus" notierte er rückblickend in 
            "Mein Leben". Im Nikolai-Gymnasium knüpfte er 
            wichtige Kontakte und lernte den langjährigen 
            Freund Guido Theodor Apel (1811–1867) kennen, 
            der ihn später lange finanziell unterstützte. Leipzig als "Brutstätte" von Wagners "phantastisch-musikalischen Studien"  Nachhaltigen Einfluss auf den jungen Wagner hatte sein Onkel Adolf, ein Bruder seines 
            Vaters, der im Apelschen Haus (auch: Thomäisches Haus bzw. Königshaus, Markt 17) und 
            später vor dem Peterstor seine Wohnung hatte. Der Onkel, dessen beachtliche Bibliothek 
            Wagner magisch anzog, war ein Multitalent: Dichter und Übersetzer, Autor literaturwissenschaftlicher 
            Werke, ein belesener und vor allem auch politisch progressiv denkender 
            Mensch. Er brachte Wagner die Literatur, insbesondere 
            Shakespeare und die deutschen Romantiker, nahe. 1828 stellt 
            Wagner sein erstes eigenes dramatisches Werk fertig: 
            "Leubald und Adelaide", das er im Winter 1826/27 in Dresden 
            begonnen hatte: "Ich entwarf ein großes Trauerspiel", schrieb 
            er später, "welches ungefähr aus Hamlet und Lear 
            zusammengesetzt war". Wagner wollte das Stück auch 
            vertonen und somit ein erstes Musikdrama schaffen, brach die 
            Arbeit aber ab. "Ein Verbrechen des Fünfzehnjährigen" nannte 
            Wagner seinen Bühnenerstling im Rückblick, auch wenn er 
            später gegenüber Cosima scherzte: "Ach! Ich bin kein 
            Komponist, nur so viel wollt ich erreichen, um Leubald und 
            Adelaide zu komponieren". Neben der künstlerischen blieb die schulische Bildung zurück: "Lasse Alles liegen", schrieb 
            Wagner über den Sommer 1829, "treibe nur Musik ohne Unterricht." 
            Musikalische Vorbilder fand er vor allem in Ludwig van Beethoven (1770 – 1827) und Carl 
            Maria von Weber (1786 – 1826). Schon bald gewann Wagner die Überzeugung, "ohne alles Bedenken ... Musik selbst schreiben zu können". Zu diesem Zweck nahm er heimlich ersten 
            Musikunterricht bei dem Mitglied des Leipziger Gewandhaus-Orchesters Christian Gottlieb 
            Müller (1800 – 1863) und nahm sich zugleich die Kompositionslehre von Johann Bernhard 
            Logier (1777 – 1846) im Eigenstudium vor – die Leihgebühren für dessen Buch "System der 
            Musik-Wissenschaft und der praktischen Composition" sind Wagners erste Schulden. 
            Wagner las und analysierte Beethovens Partituren, er versuchte sich in ersten 
            Kompositionen für Klavier, für Bläser und für großes Orchester. Im Gewandhaussaal (Alter 
            Neumarkt, seit 1839 Universitätsstraße; 1894 abgebrochen) und in der Schneiderherberge 
            (Thomaskirchhof 1, heute Hausnummer 16), die den Konzertsaal des Musikvereins Euterpe 
            beherbergte, wurden frühe Kompositionen Wagners gespielt. Intensiv nahm Wagner auch 
            am Theaterleben Leipzigs teil. Seine Schwestern Rosalie und Luise waren am 1817 zum 
            "Theater der Stadt Leipzig" umgebauten Komödienhaus auf der Ranstädter Bastei 
            engagiert, das von 1829 bis 1832 als Königlich Sächsisches Hoftheater Leipzig fungierte. 
            Hier fand am 1. Weihnachtsfeiertag 1830 die Uraufführung seiner (verschollenen) "B-Dur- 
            Ouvertüre", der sogenannte "Paukenschlag-Ouvertüre", bei einem Wohltätigkeitskonzert statt 
            und erheiterte das Publikum. Aber am 
            16. März 1832 wurden Ouvertüre und 
            Schlussmusik zum 5. Akt von E. 
            Raupachs "König Enzio" beifällig 
            aufgenommen. Zu einem prägenden 
            Erlebnis wurden für Wagner am gleichen 
            Haus die Auftritte der Sängerin Wilhelmine 
            Schröder-Devrient (1804 – 1860), die ihn 
            vor allem als Romeo in der Oper von 
            Vincenzo Bellini beeindruckte. Ihre 
            ausdrucksstarke Spielweise wurde ihm 
            zum Vorbild für seine spätere Vorstellung 
            vom neuen Typus des Sänger-Darsteller. 
            
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              |  | Das "alte Theater", ehemals Ranstädter Theater, 
                Im Zweiten Weltkrieg wurde es zerstört. |  
              |  |  |  Politische Ouvertüre Im Juni 1830 wechselte Wagner an die Thomasschule (Thomaskirchhof 18). Auch hier 
            interessierte ihn der Unterricht wenig. Er führte ein wildes Studentenleben, hatte laut "Mein 
            Leben" Umgang "mit einem halben Dutzend der furchtbarsten Schläger" und beteiligte sich 
            an der Erstürmung und Demolierung eines angeblich vom Magistrat protegierten Bordells. 
            Zugleich gab es in dieser Zeit erhebliche politische Unruhen in verschiedenen europäischen 
            Ländern, die Wagner mit größter Anteilnahme verfolgte. Er begeisterte sich für die Juli- 
            Revolution in Frankreich und die polnische Erhebung gegen die zaristische Fremdherrschaft. 
            Im September griffen die Unruhen auf Sachsen über. Glaubt man Wagner, dann war diese 
            Revolution sein politisches Erweckungserlebnis: "Mit einem Schlage", so schrieb er später in 
            "Mein Leben", "wurde ich Revolutionär und gelangte zu der Überzeugung, jeder halbwegs 
            strebsame Mensch dürfe sich ausschließlich nur 
            mit Politik beschäftigen." Für ihn verband sich die 
            Politik mit dem Komponieren. Er entwarf die 
            (ebenfalls verschollene) "Politische Ouvertüre" und 
            komponierte in den folgenden Jahren zwei 
            "Polonaisen" zu Ehren der durchs Land ziehenden 
            Exil-Polen. Wie viele fortschrittlich Gesinnte in der 
            Zeit des Vormärz hielt er zu den Idealen der 
            Französischen Revolution von 1789 und wollte 
            statt der herrschenden politischen Willkür, 
            Unterdrückung und Zensur die Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit der Menschen: "Mit Bewußtsein plötzlich in einer Zeit zu leben, in welcher 
            solche Dinge vorfielen, mußte natürlich auf den siebzehnjährigen Jüngling von 
            außerordentlichem Eindruck sein. Die geschichtliche Welt begann für mich von diesem Tage 
            an; natürlich nahm ich volle Partei für die Revolution, die sich mir nun unter der Form eines 
            mutigen und siegreichen Volkskampfes, frei von allen den Flecken der schrecklichen 
            Auswüchse der ersten französischen Revolution, darstellte. Da revolutionäre 
            Erschütterungen bald ganz Europa in mehr oder minder starken Schauern heimsuchten und 
            auch hier und da deutsche Länder von ihnen berührt wurden, blieb ich für längere Zeit in 
            fieberhafter Spannung und wurde zum ersten Mal auf die Gründe jener Bewegungen 
            aufmerksam, die mir als Kämpfe zwischen dem Alten, Überlebten und dem Neuen, 
            Hoffnungsvollen für die Menschheit erschienen." (Wagner in "Mein Leben") Ohne Abschlusszeugnis aber mit der Qualifikation "Studiosus Musicae" immatrikulierte 
            Wagner sich am 23. Februar 1831 als Student der Musik an der Universität Leipzig. Bei 
            Thomaskantor Christian Theodor Weinlig (1780 – 1842; Thomaskantor 1823 – 42) 
            vervollständigte er das Kompositionshandwerk. Als "Gesellenstück" entstand im Frühsommer 
            1832 in sechs Wochen die viersätzige "Sinfonie in C-Dur", die im November des gleichen 
            Jahres im Prager Konservatorium uraufgeführt wurde. Ebenfalls im November 1832 lernte er 
            im Hôtel de Pologne (Hainstraße 8-10, heute Hainstraße 16/18) Heinrich Laube (1806 – 
            1884) kennen. Laube war der Kopf und maßgebliche 
            Repräsentant des "Jungen Deutschlands", er wollte die Literatur 
            als Vehikel zur Verbreitung politischer, sozialer und kultureller 
            Ideen nutzen und kritisierte die rückständigen deutschen 
            Zustände scharf. Durch ihn kam Wagner in Berührung mit den 
            Jungdeutschen Karl Gutzkow (1811 – 1878) und den im Pariser 
            Exil lebenden Ludwig Börne (1786 – 1837) und Heinrich Heine 
            (1797 – 1855). Ab 1833 arbeitete Laube als Redakteur der in 
            Leipzig erscheinenden politisch progressiven "Zeitung für die 
            elegante Welt" in der auch Wagner erste Artikel veröffentlichte. 
            
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              |  | Thomaskirche und Thomasschule |  
              |  |  |  Aufbruch und spätere Besuche Im Januar 1833 verließ Wagner Leipzig in Richtung Würzburg, um am dortigen Theater eine 
            Stelle als Chordirektor anzutreten. Im Januar 1834 kam er für einige Monate nach Leipzig 
            zurück. Zwischen Leipzig und Würzburg entstanden seine beiden ersten Opern "Die 
            Hochzeit", die er nach scharfer Kritik aus seiner Familie bis auf die bereits komponierte 
            Introduktion vernichtete, und "Die Feen", deren für 1834 in Leipzig geplante Uraufführung 
            nicht zustande kam. In den Jahren danach kehrte Wagner nur noch sporadisch nach Leipzig 
            zurück um die Familie und Kollegen wie Robert (1810 – 1856) und Clara 
            Schumann (1819 – 1896) zu treffen. Auch Felix Mendelssohn Bartholdy 
            (1809 – 1847) begegnete er 1846 in Leipzig. 
            1868 machte er in Leipzig eine seiner wichtigsten Bekanntschaften: Er 
            lernte bei einem Besuch im Salon seiner Schwester Ottilie und deren 
            Mann Herrmann Brockhaus den jungen Philologiestudenten Friedrich 
            Nietzsche (1844 – 1900) kennen, mit dem ihn in Folge eine intensive und 
            wechselhafte Freundschaft verband. 
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