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Cosima

 
 
 
 

Hans von Bülow als Dirigent

Alle, die unter ihm spielen, sind elektrisiert durch ein ungewisses Etwas, das sie unwillkürlich vorwärts treibt und zur Anspannung aller Kräfte anspornt, sie mögen wollen oder nicht. Bülow reißt sie mit sich, er begeistert sie. ... Möge der uneigennützige Künstler, der nicht auf äußere Ehrenbezeugungen Wert legt, eine Hauptbefriedigung finden, dass er hier nicht für die Gegenwart allein, für den augenblicklichen Genuss der Zuhörer gewirkt hat, nein, dass der Eindruck seines Waltens nur ein bleibender, dauernder sein kann. (2.3.1889, Weserzeitung, Bremen)

Als Dirigent ist Hans von Bülow phänomenal. Der Taktstock in Bülows Hand hat eine magische Wirkung, sein Einfluss ist unwiderstehlich. ... Jede Haltung, jede kleinste Bewegung der Hand oder des Stocks ist von inhaltsreicher Bedeutung. Unter seiner Leitung wird das Orchester zu einem neuen Medium der Interpretation, bestimmt von dem dominierenden Willen eines mächtigen Geistes und eines gigantischen Intellekts. (1.12.1877, The Liverpool Mail)

Bülow gehört zu den Leuten, die schon durch ihr Auftreten heilsamen Respekt einflößen; er ist ein Mann, vor dem das Orchester zittert. die Gemütlichkeit hört bei ihm auch im Taktschlagen auf. Er ist ein überaus eindrucksvoller Dirigent. Die Komposition, die in ihn hineingegangen ist, geht aus seinen scharfkantigen, rhythmisch zuckenden Bewegungen wieder heraus und überträgt sich auf die Musiker, die er leitet. Auch die Physiognomie spiegelt deutlich die verschiedenen Stimmungen des Kunstwerkes ab, das er just zu Gehör bringt. Bei den Stellen von heroischem und großartigem Charakter leuchtet sein Auge, seine Bewegungen beeilen sich, er nimmt den Ausdruck des Trotzigen und Finstern an, die beiden Arme zerschneiden wuchtig die Luft, als ob sie anstatt mit dem leichten Taktstock mit einem feudalen Schwerte bewaffnet wären und ein feindliches Element zu vernichten hätten. An gemütlichen Stellen umspielt ein menschliches Lächeln die Lippen ... (21.1.1882, Paul Lindau in der Kölnischen Zeitung)

Bülow ist ein genialer Dirigent und wurde bei uns und überall als solcher respektiert. Hat man vergessen, dass, wenn die russische Musik jetzt in Deutschland anerkannt wird, wir das alleine Bülow verdanken? (1891, Peter Iljitsch Tschaikowsky )

Bülow ist einer der musikalischen Monumente und Bollwerke dieses Jahrhunderts, der noble Apostel einer göttlichen Kunst. (3.5.1890, The New York Sun)
Bülow spielt auf dem Orchester wie auf dem Klavier; hier wie dort dieselbe souveräne Sicherheit und Klarheit in der geistigen Erfassung und Exposition der Ideen des Komponisten; dieselbe haarscharfe rhythmische Präzision, logische Phrasierung, virtuose Technik in der Ausarbeitung bis ins kleinste Detail; dieselben genialen Züge der Interpretation, welche oft ein ganz überraschendes Licht über musikalische Gedanken ausstrahlen, die uns längst geläufig waren, in dieser Auffassung aber wie neu erscheinen. Es ist der Berliozsche Stil der äußersten Präzision des Ausdrucks und der Wagnersche Stil des poetischen freien Vortrags. (28.8.1877, Badeblatt für die großherzogliche Stadt Baden)

C-Moll-Sinfonie von Brahms und dessen Variationen für Orchester war ein Genuss. In diesen Sachen war Bülow auch nicht so eigenmächtig in der Auffassung als z.B. in der Freischütz-Ouvertüre und in Beethovenschen Sachen. Er studiert ein, wie er spielt, zerpflückt und zergliedert alles – das Herz hat nichts dabei zu tun. Alles der Kopf, der berechnet. Er erreicht aber, dass man Freude an der Herrschaft des Orchesters hat ... Sein Gebaren war wie immer mir schrecklich unsympathisch, er kann aber Eminentes. (21.1.1884, Tagebuchnotiz von Clara Schumann)

Das Bild der Werke, die er damals (alle auswendig) probierte, steht seit dieser Zeit unverrückbar vor meiner Seele. ... Sein hinreißendes Temperament, stets von strengster künstlerischer Disziplin und einer Treue gegen den Geist und – Buchstaben des Kunstwerks regiert, brachte in peinlichsten Proben die Werke zu einer Reinheit der Darstellung, die für mich noch heute den Gipfel der Vollkommenheit der Wiedergabe von Orchesterwerken bedeutet. (Richard Strauss, Erinnerung und Betrachtungen )

Das Hauptverdienst dabei, wie überhaupt an der präzisen Aufführung der Oper hat Herr von Bülow, der das Orchester dirigierte. Es gehört Bülows ganze Energhie und Beweglichkeit, sein fabelhaftes Gedächtnis und seine enthusiastische Hingebung an Wagner dazu, um ein solches Resultat zu erzielen. (24.6.1868, Eduard Hanslick in der Neuen Freien Presse Wien über die „Meistersinger“-UA)

Das heutige letzte Abendrecital wird vermutlich nur ein sehr beschränkt lokales Interesse haben. Ich fühle mich umso aufgelegter, Ihnen Adieu zu sagen, als ich, durch die siebenstündige Reise von Manchester hierher bereits etwas ermüdet, in der Nacht noch eine umständlichere, nämlich die Heimkehr nach Hannover, wo ich Sonntag Abend den „Propheten“ dirigieren soll, anzutreten habe. Ich hatte 21 Tage Urlaub; zwei Tage zur Reise, zwei Zwangsfeiertage (englische Sonntage), siebzehn Konzerte: addieren Sie und Sie werden mit mir finden, dass die Summe stimmt. (6.12.1878, Signale für die musikalische Welt)
Das Verdienst für diesen Aufschwung zu frischerer Tätigkeit gebührt wohl Herrn von Bülow, von dessen energischer Tatkraft wir hoffentlich für Oper und Konzert die Hinwegräumung manches alten Schlendrians erwarten dürfen. Dafür ist er anscheinend der rechte Mann. Nur muss rechtes Maß in allen Dingen sein. Schon jetzt werden vielfach Klagen im Publikumlaut, dass Herr von Bülow das Orchester- und Opernpersonal zu sehr anstrengt, sie ermüde und es ihnen unmöglich macht, zu den Aufführungen die volle Lust und Kraft mitzubringen. (23.10.1877, Hannover’scher Courir)

Das vierte große Kristallpalastkonzert wurde mit Rossinis Ouvertüre zur „Belagerung von Korinth“ eröffnet. Ich habe gegen dieses Genre von Sommermusik an und für sich gar kein prüdes Vorurteil, namentlich dann nicht, wenn es mit der erforderlichen Kurzweiligkeit exekutiert wird. Trotzdem jedoch Herr Manns die Gymnastik des vorelektrischen Telegrafen uns ohne denkbares Motiv hierbei zu versinnbildlichen beflissen war, brachte er seine Truppe nicht über das Elefantenpolkazeitmaß hinaus, und da mir außerdem das Konzert-Menü als Dessert Schumanns Manfred-Ouvertüre in Aussicht stellte, vermochte ich mich über die rätselhafte Entree nicht eher zu beruhigen, bis mir der geistvolle Sekretär der Society, Herr George Grove (der Verfasser der wahrhaft mustergültigen analytischen Programme) endlich den Aufschluss gab, dass die mit dem letzten Bahnzuge eintreffenden Nachzügler im Saale eine so große Unruhe zu erregen pflegten, dass man zur Eröffnung des Konzertes nicht wohl ein Musikstück ersten Ranges verwenden dürfe. (Ende Oktober / Anfang November 1877, Signale für die musikalische Welt)

Der großen Menge mag ein so widerwärtiges Zergliedern eines Werkes in tausend einzelne Episoden gefallen, – ist es doch gar lustig anzusehen, wie ein Einzelner ein ganzes Orchester gleich gefügigen Marionetten am Bande führt, dass sie Kapriolen schneiden, wie es ihm beliebt, dass sie weinen und lachen, hüpfen und sich ducken, bald langsam, bald in wahnsinnigstem Toben umherspringen, bald leise flüstern, so dass die Schwingungen des Taktstocks zuletzt nur allein die Musik bilden, welches wir beim Pianissimo vernehmen. Den kunstsinnigen, warmen Verehrer Beethovens muss ein solches Gebaren auf das tiefste empören, denn in ihm liegt der Ruin der ganzen musikalischen Kunst. Wahrlich, es ist mehr wie vermessen, wenn Herr von Bülow es wagt, sich so an Beethovens Geist zu versündigen, den er in der brutalsten Weise fälscht. (12.3.1882, Hannoverscher Courir)

Der lendemain [folgende Tag], Mittwoch den 20. November, war der zweiten Wiederholung meines Experimentes mit den fünf letzten Sonaten Beethovens gewidmet. Das Publikum verschluckte die Pillen ebenso gefügig wie in Berlin und Hamburg. Meine Wenigkeit machte die Sache ungefähr ebenso „glatt“ wie in Hamburg, da die Temperatur des Saales nichts Treibhäusliches hatte. Ich bin eben – keine Palme: nur einer solchen kann das „Atmen“ in der Berliner Singakademie bei ausverkauftem Saale gelingen. (26.11.1878, Signale für die musikalische Welt)

Die Art wie Herr von Bülow den „Lohengrin“ nicht bloß dirigiert, so vollständig frei „spielt“, als sei das ganze Orchester nur ein einziges Instrument, etwa ein Klavier oder eine Orgel, diesen mächtigen Instrumentenkörper zunächst nur in fließende Regung, dann aber mehr und mehr in jene rhythmisch fortschreitende Grundbewegung zu versetzen, der zu widerstehen keine Möglichkeit ist, ... diese große rhythmische Grundbewegung das Orchesters, die gewissermaßen das Tempo und damit den inneren Bau des ganzen Werkes umgibt, griff allüberall den Einzeldarstellern in solch befreiender Weise unter die Arme, dass mancher von ihnen sich förmlich über sich selbst erhoben vorkommen musste. (1.5.1868, der Rezensent Ludwig Nohl in der Neuen Zeitschrift für Musik)

Die Belästigungen mehren sich in’s Unglaubliche, die Arbeitshindernisse häufen sich. Ich ersticke – – Erlösung aus den gräulichen Banden! Erlösung“! Erlösung! (um 1881; Eintrag in seinen Meininger Musikkalender)

Die hohle, physiognomielose Nichtigkeit der Thomas’schen Musik ihre ebenso prätentiöse Aufgeblasenheit wurde mir erst jetzt in ihrem grellsten Glanze offenbar; selbst in rein technischen Dingen, der Instrumentation, worin uns Meyerbeer gezeigt hat, wie man durch raffinierte Brühen sogar Schuhsohlen genießbar machen kann, wurde ich auf’s Bitterste enttäuscht. Der einzige schlechte Witz, dem mein Ohr begegnete, war im zweiten Akte das weniger drollige, als widerliche Gebaren eines mir neuen Saxofons, eines Bastards von Bassklarinette und englischem Horn, eines entschieden nicht aus rationeller Zuchtwahl stammenden, deshalb auch Gottlob lebensunfähigen Holzblasebalgs ... (25.10.1877, Signale für die musikalische Welt)

Die Meininger Hofkapelle möchte Sie, hochverehrter Meister, nicht aus ihrer Mitte scheiden sehen, ohne Ihnen wenigstens auf diesem Wege ihren tiefgefühlten, wärmsten und innigsten Dank ausgesprochen zu haben für all das Hohe und Herrliche, was Sie während der Dauer Ihrer hiesigen Tätigkeit zur Ehre und zum Ruhme unserer heiligen Kunst vollbracht, für alle künstlerischen Gaben, die Sie aus dem reichen Füllhorn Ihres Genies über uns alle ausgeschüttet, und vor allem dafür, dass Sie uns der Ehre gewürdigt haben, an dem großen reformatorischen Werke mitzuarbeiten, welches die gesamte Musikwelt bewegt und beglückt hat. (November 1885, Abschied von Meiningen)

Die Musiker folgen seinem [= Bülows] Dirigentenstab bis ins kleinste Detail hinein, es ist eine wahre Wonne solche Resultate zu hören ... Wenn er nur nicht so hampelmannartig dirigieren könnte! Viel besser macht Brahms seine sachen, er ist ganz ruhig dabei und erreicht dadurch viel leichter, was Bülow erstrebt. (11.3.1889, der Musikkritiker Theodor Avé-Lallement)

Die zum Sterben elende Existenz in Meiningen. Die Ansiedlung in diesem Neste, wo man keine Droschke hat, keinen Schneider und Schuster, die ihr Handwerk verstehen. (1881; an FB)

Eine vierundzwanzigstündige Eisenbahnfahrt mit Unterbrechung durch einen vierstündigen nächtlichen Wartesaalaufenthalt pflegt sonst nicht eben als Nervenwohltat gepriesen zu werden. In Schweden eilen aber selbst die Schnellzüge nur mit Weile und ersetzen, wie die Menschen, durch Behaglichkeit den Mangel an - Geläufigkeit. ... Dass es mir vergönnt ist, in meinem letzten Konzerte auch letzten Beethoven vorzuführen, danke ich dem außergewöhnlich hohen Niveau, auf welchem das Klavierspiel in Christiania steht. ... Erfreuen sich die norwegischen Vertreter guten Klaviervirtuosentums schon eines hervorragenden Rufes auch bei uns, so ist dies in weit höherem Grade noch der Fall bei denjenigen beiden jungen Komponisten, auf welche das dritte und nicht bloß an Flächeninhalt größte skandinavische Reich mit gerechtem Stolze blicken darf' Edvard Grieg und Johann Svendsen. ... Da ich meine Reise nicht bis Bergen ausdehnen konnte, war es mir unmöglich, Herrn Griegs persönliche Bekanntschaft zu machen. ... In seinem Nebenbuhler, Herrn Svendsen lernte ich wiederum einen nordischen Musiker von ungewöhnlich spezifischer Begabung und Leistungsfähigkeit kennen. Er soll sich außer seiner Tätigkeit als wirklicher Produzent und als Lehrer auch häufig als ausgezeichneten Dirigenten bewährt haben, so namentlich in vergangener Saison durch zweimalige Aufführung von Beethoven's neunter Symphonie, für deren korrekte Wiedergabe er durch seine Anwesenheit bei der Grundsteinlegung des Bayreuther Festtheaters vorzugsweise berufen war. (4.5.1882, Signale für die musikalische Welt)

Er spielt Klavier wie er mit dem Orchester spielt. Die Klarheit des Stimmgefüges der thematischen Entwicklungen und motivischen Arbeit eines Musikstückes, der Herr von Bülow vor dem Orchester so meisterhaft zu schaffen versteht, bietet auch seine Darstellung am Klavier, und dazu kommt der Reichtum charakteristischer Anschlagsnuancen, welche bei Zuhörern die Vorstellung erwecken, Herr von Bülow denke und empfinde alles, was er spielt, unter dem Eindruck der Tonfarbenpracht des Orchesters. (30.3.1888, der Kritiker Otto Lessmann in der Allgemeinen Musikzeitung)

Es ist in derTat ein eminentes Talent! Etwas Dämonisches! Möge ihm endlich Anerkennung und die Stellung werden, die ihm gebührt. (1857, FB)
Es war hohe Zeit, dass Herr von Bülow mit den Philharmonischen Konzerten begann, denn das Berliner Publikum sowohl wie ein Teil der Kritik waren nahe daran, vor der braven Mittelmäßigkeit jubeltrunken sich platt auf den Boden zu werfen. ... Was Herr v. Bülow als Orchesterdirigent zu leisten vermag, hat das Philharmonische Orchester neulich bekundet, was dem letzteren aber zu erreichen möglich ist, das hat Herr v. Bülow seinen staunenden und bewundernden Zuhörern bewiesen. Wir haben früher ausgezeichnete und geistvolle Dirigenten vor diesem Orchester wirken sehen, aber was Herr v. Bülow zu Stande gebracht hat, spottet aller Beschreibung, es ist einfach die Vollendung der Darstellung eines sinfonischen Kunstwerkes nach der rein sinnlichen wie geistigen Seite hin. (28.10.1887, Allgemeine Musik-Zeitung)

Gestern vor acht Tagen traf ich also in London ein. Eine kalte Abreibung genügte, die Eindrücke zweier Reisenächte soweit zu neutralisieren, dass ich von 0 10 bis 1 Uhr eine Orchesterprobe dirigieren, von 2 bis 4 Uhr mit Signor Piatti und Madame Norman-Neruda für das Monday „Pop“ am Abende unser Programm: Duo von Schubert op. 70, Trio von Hans von Bronsart gehörig vorbereiten konnte. Ich debütierte mit Schumanns Franz Liszt gewidmeter Phantasie op. 17, welche erst vor anderthalb Jahren von der Witwe des verewigten Meisters in London eingeführt worden ist. Durch den überaus freundlichen Empfang des Publikums ermutigt, spielte ich mein Pensum befriedigender, als ich es zu leisten gehofft, denn trotz aller Spielroutine kann ich mich beim ersten Stücke eines gewissen Herzklopfens, einer Furcht vor Ängstlichkeit so zu sagen, selten erwehren. Der Effekt namentlich der beiden letzten Sätze war ein sehr überraschender. Allerdings gedachte ich früherer Zeiten, wo ich so leichtsinnig gewesen, dieses Werk vorzutragen, als dasselbe mich bemeisterte, meine Kräfte überstieg. Bronsarts Trio – am Schlusse des Konzerts – hatte sich natürlich nicht der stürmischen Aufnahme zu erfreuen (das Scherzo allerdings doch), welches es im vergangenen Sommer in Erfurt gefunden. ... Freilich dürfte der Komponist kaum jemals wieder solche „Streicher“ finden wie Piatti, den Joachim des Cellos, und Neruda, die Clara Schumann der Geige. Sie spielt wirklich himmlisch ... Kurz – mit Frau Neruda zusammen zu musizieren, halte ich für einen Genuss, der mich überall zur Verzichtleistung auf mein Honorar veranlassen könnte. ... Dass die beste Erholung und Auffrischung für einen leidlich regen Menschen in der Abwechslung seiner Tätigkeit besteht, wurde mir Tags darauf wiederum recht klar. Die zweite Orchesterprobe des Konzertes der Musikakademie der Blinden, dessen Direktion ich übernommen hatte, versprach eine gute Aufführung und hielt Wort. ... Herrn Hartvigsons glanzvolle Ausführung der Novität des Abends: Liszt's Danse macabre bedaure ich nicht unerwähnt lassen zu können, trotzdem es mich persönlich zu indirektem Selbstlobe nötigt, da der dänische Pianist mir vor fünfzehn Jahren in Berlin die seltene Gelegenheit geliefert hat, an ihm einen Lehrerstolz zu – entwickeln. Herr Hartvigson gab technisch wie geistig eine Meisterleistung, ... erkämpfte einen Erfolg, den ich selbst in früheren Jahren zu erringen mich leider unmächtig gezeigt habe. Auf das Risiko, mich wenigstens moralisch hierbei verherrlichen zu wollen, bekenne ich offen, dass ich stets eine große Freude empfinde, wenn ein Anderer eine Sache, an der ich selbst gescheitert bin, in meinem Sinne später glücklich durchführt. (26.11.1878, Signale für die musikalische Welt)
Ich arbeite nach dem Meininger Prinzipien: Separatproben von Bläsern und Streichern, letztere wieder subvidiert in 1. und 2. Geigen, Violen, Celli und Bässe. Jede dynamische Nuance wird studiert, jeder Bogenstrich, jedes Staccato genau gleichmäßig vorgezeichnet, musikalische Phrasierung und Interpunktion in jedem Detail probiert. „In der Kunst gibt es keine Bagatellen“, ist meine Maxime. ... Die sogenannten materiellen Mittel sind bescheiden. Qualität muss Quantität ersetzen und soll durch außergewöhnliche Arbeit, – „das Talent ist der Fleiß“ – ersetzt werden. – Die Konzentration auf Beethoven scheint mir notwendige Bedingung für das Experiment, die Gründung eines „Stiles“ zu suchen, den Geschmack von Spielern und Hörern zu bilden ... ob es glückt, bleibt der Zukunft vorbehalten. (16.12.1880, Weimarer Zeitung)

Ich selbst habe die Oper [= Tristan und Isolde] weit ruhiger und besser dirigiert als vormals – die dazwischenliegende Praxis des Taktstocks hat dies bewirkt. ... Die gestrige Tristanvorstellung war besser als irgendeine Aufführung irgendeines Deiner Werke an irgend einem anderen Theater. (21.6.1869 an W)
Man muss Zeuge gewesen sein, wie Herr von Bülow, als wäre das Orchester nur eine Ausstrahlung seiner eigenen Persönlichkeit, mehr mit seinem Herzen als mit Hand und Auge, jedes Instrument dirigiert und die mystische Tiefe des Kunstwerkes [= Eroica] klarlegt. (30.3.1892, der Kritiker Krause in „Der Reichsbote“)
Meine „gemischten“ Programme dürften kein außergewöhnliches Interesse bei Ihren Lesern erregen, da meine Praxis bekannt ist, Novitäten von bleibendem Werte wo immer einzuschmuggeln. Unter Novitäten verstehe ich auch die opera incognita verstorbener Komponisten, wie Schumann und Chopin. Von Letzterem ist es mir überall geglückt, das vierte Scherzo, die vierte Ballade, das dritte Impromptu, die weniger gespielten Notturni in c-moll und E-dur, kurz den männlichen, den ipsissimus Chopin der überall in England erfreulich regen Wissbegierde der Zuhörer plausibel zu machen, und so gewährte mir auch das besagte Konzert vor leeren Bänken Befriedigung. Überhaupt hat zu Zeiten eine spärliche Zuhörerschaft für mich etwas besonders Rührendes und Animierendes: die Anwesenden werden individueller, deshalb wertvoller, der Konzertgeber fühlt sich ihnen doppelt oder dreifach für ihr Erscheinen verpflichtet. Ich lege nun die Feder nieder, da ich heute Abend ein relativ neues Programm spiele, das sich einem nochmaligen Durchdenken empfiehlt. (26.11.1878, Signale für die musikalische Welt)

Sieg, Sieg, Sieg! Vollständige Revanche für 1853 [Anm.: Bülows erstes Klavierrecital am 15. März 1853 war ein völliger Misserfolg]. Der gestrige Erfolg war kolossal … Ach – es ist prächtig: ich fühle Riesenkraft in mir, und Du kannst noch Freude an mir erleben – lass mich nur meine Wege ruhig wandeln. Ich bin nicht bloß ein anständiger Künstler, sondern auch ein großer Diplomat geworden ... Nur Ehrgeiz erfüllt mich und zwar kein egoistischer, kleinlicher, sondern der im Berufe und Dienste für eine große ernste Sache, mit der ich stehe und falle. (26.3.1860 an FB nach einem Konzert in Wien)

So wird uns hier zugemutet zu bewundern, dass dieser Dirigent die sämtlichen Werke aus dem Gedächtnisse ohne Partitur dirigierte! Was hatte das Publikum davon? Wollte es einer ruhig verlaufenden Musikaufführung oder einer gewagten Gedächtnisprobe beiwohnen? Die Partitur aufs Pult zu legen, ist Sache der Achtung und der Schicklichkeit. (14.1.1881, Neue Zeitschrift für Musik)

Solche exzentrischen Gesten, solch ein in sich Versinken und sich mit gehobenen Händen Emporschnellen, solch ein dramatisches Mienenspiel, was alles weniger von dem Orchester, wie von dem Publikum beachtet wird und gewissermaßen das vorzutragende Musikstück dramatisch illustriert, gehört meiner Meinung nach nicht zu einem guten Dirigenten. (29.4.1863, der Kritiker Richard Wuerst in der Allgemeinen Musikalischen Zeitung)

Somit lade ich Sie ein, mir heute in den Kristallpalast zu folgen, in welchem die Wintersaison des Londoner Musiklebens ihre ersten und während des Oktobermonats einzig registrierungswerten Blüten treibt. Das Orchester der Kristallpalastkonzerte ist bekanntlich quantitativ wie qualitativ das vornehmste in ganz England; ihm zunächst steht die von Herrn Charles Halle (dessen Leistungen als Dirigent ich in der angenehmen Lage bin, ebenso hoch anschlagen zu können als seine klavierspielerischen) geschaffene Kapelle in Manchester; den dritten Platz hofft Ihr Korrespondent dem Orchester in Glasgow (inkl. Edinburgh, Dundee, u.s.w.) allmählich zu erobern. Herrn Halle’s Kapellmeisterei wird zur Zeit außerhalb Manchester’s in demselben Grade unterschätzt, als die des Herrn August Manns im Kristallpalast überschätzt zu werden pflegt. Es ist wahrhaftig keine Kunst, mit einer Elite-Corporation, die man ständig, teilweise beinahe täglich, unter dem Taktstocke hat, mit der man so viele Proben abhalten kann, als Einem nötig erscheint, relative Musteraufführungen wenigstens von klassischen Werken hervorzubringen. Auch ist bekanntlich im Reiche der Blinden Polyphem ein König; die Engländer geben es selbst ganz freimütig zu, dass ihre eingeborenen „Conductors“ mit den „Omnibus-Conductors“ die Verwandtschaft aufzeigen: „to be always behind“ – das Wortspiel ist nicht wohl übersetzbar. ... (27.10.1877, Signale für die musikalische Welt)

Was liegt daran, ob dreißig Schweinehunde mehr oder weniger ins Theater kommen! (1865, nachdem eine Maschinist darauf hinweist, dass für die Erweiterung des Orchestergrabens beim Münchner „Tristan“ 30 Sperrsitze verloren gehen.) – Ich habe nur diejenigen böswilligen Theaterbesucher im Sinne gehabt (und haben können), welche verdächtig sind, an den in Wort und Schrift gegen den hochgeehrten Meister gesponnene Verleumdungen und Intrigen Teil genommen zu haben. [9.5.1865, Rechtfertigung Bülows in den Münchner Neuesten Nachrichten)

Wie er dasteht, das scharfe Profil seitwärts gewendet, den Klemmer auf der Nase, wie er vom ersten Moment an den Taktstock in sichern, festen Zügen führt ... als wäre es ein Zauberstab in seiner Hand ... er hebt den Spieler zu sich empor, entlockt ihm den Ton, den er haben will ... wie ein Feldherr, so steht er da, alles übersehend ... Wie dieser einzige Dirigent das Orchester an seinem Zauberstabe führt, wie es mit ihm jauchzt und klagt, bittet und höhnt, hochgemut und zerknirscht erscheint, das lässt sich nicht beschreiben, nur genießen. (15.1.1888, Berliner Courir)

Wir haben leider die Überzeugung gewinnen müssen, dass wir zu der Richtung, welcher Herr von Bülow als Dirigent anhängt, in vollstem Antagonismus stehen. ... Die Dirigenten dieser Richtung treiben eine wahre Schatzgräberei nach Effekten; sie spüren der Komposition bis ins kleinste Detail nach, um ein möglichst nuancierten Vortrag zu gewinnen, der dadurch allerdings farbenreich wird und dem eine gewisse nervöse Wirkung nicht abzusprechen ist. ... Kompositionen wie die Webersche Ouvertüre vertragen diese Nuancenjägerei überhaupt nicht. Sie verlieren unter dem sezierenden Taktstock ihren Charakter völlig, zumal wenn der Vortag zur größeren Erhöhung des Effekts noch mit eingelegten Kunstpausen durchsetzt wird. (2.10.1877, Hannover’scher Courir)

C = Cosima
W = Richard Wagner
FB = Franziska von Bülow, Bülows Mutter
MS = Marie Schanzer, Schauspielerin, zweite Ehefrau