Originalzitate – Cosima
"Und sehr merkwürdig war mir überdies", lästerte Rosalie Braun-Artaria, "daß gerade die bisher ganz Unmusikalischen erklärten, nun endlich zu wissen, was Musik sei. Die ganze Wagnergemeinde jener Zeit hatte alle Merkmale einer Sekte, und es war nicht lockend, sich ihr anzuschließen. Ich blieb also meinen alten Göttern Mozart, Beethoven, Schubert treu, auch nachdem ich in persönliche Beziehungen zu der stets werbefreudigen Frau von Bülow getreten war. Aber ich begriff, daß andere, minder Bockbeinige, sich bald in den Bannkreis des 'Dazugehörens' einbeziehen ließen, mit dem ihre kluge Liebenswürdigkeit jeden wie selbstverständlich umschloß."[1]
Wenn Hans nicht gerade im Theater war oder sich auf einer Konzertreise befand, herrschte in der Luitpoldstraße eine gereizte bis aggressive Stimmung. Dann beging Bülow nicht nur einmal den unverzeihlichen Fehler und schlug seine Frau. Jahre später notierte Cosima in ihr Tagebuch: Er [Wagner] gedenkt der Scenen, denen er beigewohnt, wo Hans mich geschlagen, und sagt, er sei entsetzt gewesen über die gleichgültige Ruhe, mit welcher ich dies ertragen hätte.[2] Vielleicht dachte sie während dieser Exzesse an das Buch ihrer Jugend – an Thomas von Kempens "De imitatione Christi". Dort heißt es an einer Stelle: "Willst du im Himmel erhöht werden, so erniedrige dich in dieser Welt." Cosima ertrug dies alles, weil sie ihre Bestimmung und Lebensaufgabe gefunden hatte: Richard Wagner dienen, sich für ihn aufopfern.
"Seitdem ist Wagner gänzlich und unbedingt unter ihrem Einfluß", schrieb Peter Cornelius in sein Tagebuch. "Man kann ihn nicht mehr allein sprechen, es kommt kein Brief mehr an ihn, den sie nicht erbricht und ihm vorliest."[3]
Im Grunde verstand sie sich als seine Managerin, um ein modernes Wort zu benutzen.
Cosima entwickelte bereits in der Münchner Zeit eine psychologische Strategie, die sie in den folgenden Jahrzehnten verfeinern sollte und die darauf hinauslief, dass sie sich Wagners Autorität bediente. - Nach Wagners Tod wurde aus seiner Witwe fast zwangsläufig die "Meisterin" – der tote "Meister" schien in ihr fortzuleben.
Stellung gegen Heyse. Meine Einwendungen gegen ihn sind folgende: 1. die jüdische Abstammung – worin ich den hohen theuren Freund unterthänigst bitte, kein hartes Vorurtheil zu erblicken, sondern eine tief begründete Furcht vor einer Race die den Deutschen viel Unheil gebracht hat.
[1] Braun-Artaria, Von berühmten Zeitgenossen, S. 99.
[2] CW, Tgb. I, 11.07.1869, S. 126.
[3] Peter Cornelius, Tagebuch 09.12.1865, in: Cornelius, Literarische Werke, Band 2, S. 316. |