Alberich
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Alberich und Nibelungen (von Arthur Rackham) |
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Die Rolle des Nibelungen Alberich ist eine zentrale Figur in Wagners Hauptwerk "Ring des Nibelungen". Bereits in seinem ersten Prosaentwurf von 1848 hat Wagner diese Figur zusammen mit Mime, dem Bruder Alberichs, entwickelt. Im "Ring"-Zyklus tritt Alberich in "Das Rheingold", "Siegfried" und "Götterdämmerung" auf.
In "Das Rheingold" wird die gesamte Handlung des "Ring" durch den ersten Auftritt Alberichs in Gang gesetzt. Alberich steigt aus dem Untergrund - Nibelheim - empor und verfolgt im Liebesrausch die drei Rheintöchter, die ihn verschmähen. Alberich raubt den Rheintöchtern das Gold, das sie bewachen sollen, und verschmäht fortan die Liebe. Er schwört aus dem Gold einen "rächenden Ring" zu schmieden, der ihm unbegrenzte Macht verleihen soll. In der dritten Szene zeigt Wagner, wie Alberich im unterirdischen Nibelheim die anderen Nibelungen - darunter seinen Bruder Mime - dazu zwingt, für ihn zu arbeiten und so seinen Reichtum zu vermehren. Er prahlt mit seiner Macht, doch Wotan kann ihn überlisten und das Gold rauben. Alberich verflucht den Ring. In "Siegfried", dem dritten Teil des Zyklus, erscheint Alberich nur im zweiten Akt als episodische Figur. Er versucht hier wieder in den Besitz des Rings zu gelangen und lauert vor der Höhle des Drachen Fafner. Hier begegnet er seinem Bruder Mime, der ebenfalls den Ring erbeuten will. Beide geraten in Streit, Alberich zieht sich in die Unterwelt zurück, Mime wird wenig später von Siegried erschlagen. In der "Götterdämmerung" begegnet Alberich seinem Sohn Hagen im Traum. Alberich fordert ihn auf, den Ring Siegfried wieder zu entreißen. Hagen wird zum Mörder Siegfrieds.
Theodor W. Adorno hat in seinem 1937/38 im Exil verfassten "Versuch über Wagner", Alberich als eine von mehreren Judenkarikaturen in den Opern Wagners gedeutet:
"Der Gold raffende, unsichtbar-anonyme, ausbeutende Alberich, der achselzuckende, geschwätzige, von Selbstlob und Tücke überfließende Mime, der impotente intellektuelle Kritiker Hanslich-Beckmesser, all die Zurückgewiesenen in Wagners Werk sind Judenkarikaturen".
Tatsächlich zeigt bereits der erste Prosaentwurf zum "Ring" von 1848, dass Wagner die Nibelungen mit Eigenschaften versehen hat, die er im nur wenig später in seine Schrift "Das Judenthum in der Musik" auch den Juden zugeschrieben hat. In dem "Entwurf zu seinem Drama" heißt es:
"Dem Schooße der Nacht und des Todes entkeimte ein Geschlecht, welches in Nibelheim (Nebelheim), d.i. in unterirdischen düsteren Klüften und Höhlen wohnt: sie heißen Nibelungen; in unsteter, rastloser Regsamkeit durchwühlen sie (gleich Würmern im todten Körper) die Eingeweide der Erde".
In "Das Judenthum in der Musik" hat Wagner das Bild der Würmer als antisemitisches Klischee verwendet, um die zersetzende Tätigkeit der Juden in der Musik mit drastischen Worten zu beschreiben:
"Dieser Kunst konnten sich die Juden nicht eher bemächtigen, als bis in ihr Das dazuthun war, was sie in
ihr erweislich eben offengelegt haben: ihre innere Lebensunfähigkeit. So lange die musikalische Sonderkunst ein wirkliches organisches Lebensbedürfniß in sich hatte, bis auf die Zeiten Mozart's und Beethoven's, fand sich nirgends ein jüdischer Komponist: unmöglich konnte ein diesem Lebensorganismus gänzlich fremdes Element an den Bildungen dieses Lebens theilnehmen. Erst wenn der innere Tod eines Körpers offenbar ist, gewinnen die außerhalb liegenden Elemente die Kraft, sich seiner zu bemächtigen, aber nur um ihn zu zersetzen; dann löst sich wohl das Fleisch dieses Körpers in wimmelnde Viellebigkeit von Würmern auf: wer möchte aber bei ihrem Anblicke den Körper selbst noch für lebendig halten?"
Das Bild der Würmer findet sich auch in den "Tagebuchaufzeichnungen für König Ludwig II.", die Wagner im September 1865 niederschrieb, um Ludwig II. von der Gefährlichkeit der Juden zu überzeugen:
"In der Natur ist es so beschaffen, dass überall wo es etwas zu schmarotzen giebt, der Parasit sich einstellt: ein sterbender Leib wird sofort von den Würmern gefunden, die ihn vollends zersetzen und sich assimiliren. Nichts anderes bedeutet im heutigen europäischen Culturleben das Aufkommen der Juden".
Bei einer anderen Gelegenheit hat Wagner Nibelheim als einen Ort der kapitalistischen Ausbeutung gedeutet. Als er 1877, ein Jahr nach der Uraufführung des kompletten "Ring", während einer Reise nach London englische Fabrikten sah, erklärte er Cosima:
"Der Traum Alberichs ist hier erfüllt, Nibelheim, Weltherrschaft, Tätigkeit, Arbeit, überall Druck des Dampfes und Nebel".
Hier interpretierte Wagner seine Oper als Allegorie auf Kapitalismus und Industrialisierung, ein Gedanke, den er zuvor bereits in seiner Schrift "Erkenne dich selbst" angedeutet hatte, indem er den Ring als "Börsenportefeuille" deutete.
Wagner hat Alberich nicht als jüdische Bühnenfigur gestaltet. Auch in seiner Inszenierung des "Ring" anläßlich der ersten Bayreuther Festspiele 1876 gab es keinerlei Andeutungen, Albrich als Juden zu verstehen. Dennoch finden sich in Alberich negative Eigenschaften, die Wagner wiederholt als spezielle Merkmale der Juden geschildert hat. Es sind diese imaginierten Elemente des Jüdischen in Wagners Denken, die Alberich auch als Juden-Karikatur erscheinen lassen. |