Logo Nestroy

Biografie
  1813 – 1832  Jugend
  1833 – 1842  Theaterpraxis
  1842 – 1849  Dresden
  1849 – 1858  Exil in Zürich
  1858 – 1864  Wanderjahre
  1864 – 1865  München
  1866 – 1870  Exil in Tribschen
  1871 – 1876  Bayreuth
  1877 – 1883  Tod in Venedig

Frauen
  Jugend
  Minna Planer
  Jessie Laussot
  Mathilde Wesendonck
  Liebschaften
  Cosima
  Judith Gautier
  Carrie Pringle

Freunde
  Franz Liszt
  Hans von Bülow
  Ludwig II.
  Friedrich Nietzsche
  Theodor Apel
  Heinrich Laube
  August Röckel
  Michail Bakunin
  Samuel Lehrs
  Heinrich Heine
  Gottfried Semper
  Wilhelmine Schröder-Devrient
  Eliza Wille
  Malwida von Meysenbug

Familie
Kinder

Die jüdische Frage
  Giacomo Meyerbeer
  Maurice Schlesinger
  Heinrich Heine
  Samuel Lehrs
  Jacques Fromental Halévy
  Felix Mendelssohn Bartholdy
  Heinrich Porges
  Jacques Offenbach
  Eduard Hanslick
  Carl Tausig
  Joseph Rubinstein
  Hermann Levi
  Alfred Pringsheim
  Angelo Neumann
  Der fliegende Holländer
  Alberich
  Mime
  Beckmesser
  Kundry

Lebensorte
  Leipzig
  Dresden
  Schweiz
  Paris
  Wien
  
München
  Bayreuth

  Venedig

 
 
 
WAGNERS BIOGRAFIE    SYNCHRONIK    THEATERSTÜCK    AUSSTELLUNG 

Franz Liszt

 Franz Liszt
   
  Franz Liszt

Pianist, Komponist, Musikschriftsteller
* 28. Oktober 1811, Raiding (Doborjan) / † 31. Juli 1886, Bayreuth

Die musikalische Laufbahn von Franz Liszt begann als pianistisches Wunderkind. Bereits seit seinem elften Lebensjahr bereiste er als Klaviervirtuose mit seinen Eltern ganz Europa. 1823 übersiedelte die Familie nach Paris, wo Liszt privaten Kompositionsunterricht bei Ferdinando Paer erhielt, da er als Ausländer vom Besuch des Konservatoriums ausgeschlossen war. Nach dem Tod des Vaters 1827 arbeitete Liszt zunehmend als Klavierlehrer. Nach einer gescheiterter Beziehung zu seiner Schülerin Caroline de Saint-Cricq, der Tochter des französischen Handelsministers, verfiel Liszt in eine tiefe Depression, er trug seitdem lange Haare, bevorzugte schwarze Kleidung und er äußerte erstmals den Wunsch, Priester zu werden. Am Ende seines Lebens war Caroline jedoch die einzige unter seinen zahlreichen Liebschaften, die er in seinem Testament bedachte.

1833 lernte Liszt Marie d´Argoult kennen, die Tochter eines französischen Adligen und einer deutschen Mutter. Da Marie bereits verheiratet war, übersiedelte das Paar zunächst in die Schweiz, später nach Italien. Am 24. Dezember 1837 wurde als zweites Kind aus dieser Beziehung in Bellagio am Comer See die Tochter Cosima geboren.

Die erste Begegnung Liszts mit Richard Wagner ereignet sich im März 1841 in Paris, als Liszt einen Empfang in seinem Hotel gab. Wagner gelang es, den berühmten Liszt anzusprechen, der ihm eine Freikarte für sein Konzert zukommen ließ. In einem Bericht für die Dresdner Abend-Zeitung äußerte sich Wagner jedoch herablassend über den wirtschaftlichen Erfolg des erfolgreichen Virtuosen: „Liszt hat letzthin ein Konzert gegeben. Er allein spielte darin, - niemand spielte oder sang sonst; das Billett kostete 20 Francs; er hatte keine Kosten, nahm 10000 Francs ein und gibt demnächst ein zweites Konzert. Welche Sicherheit! Welche Unfehlbarkeit! - ich meine in der Spekulation; denn sein Spiel ist sicher und so unfehlbar, daß es gar nicht mehr der Mühe lohnt, darüber zu sprechen”.

1842 wurde Franz Liszt zum Großherzoglichen Kapellmeister in Weimar ernannt. Obwohl mit diesem Amt auch die Verpflichtung bestand, die Großherzogliche Kapelle zu dirigieren, kam Liszt dieser Aufgabe nur sehr unregelmäßig nach. Im Anschluss an seine erste Saison in Weimar reiste Liszt 1843 nach Dresden, um dort eine Aufführung von Wagners Rienzi zu besuchen, da er auf der Suche nach neuen Komponisten war. Inzwischen hatte sich Liszt endgültig von Marie d´Argoult getrennt und das Sorgerecht für die drei gemeinsamen Kinder Blandine, Cosima und Daniel erstritten, die er in die Obhut seiner Mutter in Paris gab. Während einer Konzerttournee durch Russland lernte Liszt 1847 die polnische Adlige Carolyne von Sayn-Wittgenstein kennen. Obwohl Carolyne noch verheiratet war, gaben sich beide im Oktober 1847 eine Art Ehe-Versprechen und bezogen gemeinsam die Altenburg a vonm Stadtrand Weimar, wo sie einen offenen Salon fhrten. Damit beendete List seine Laufbahn als Klaviervirtuose und in den folgenden Jahren konzentrierte er sich auf seine Verpflichtungen als Dirigent. Auch entstanden in Weimar viele seine bekanntesten Kompositionen, darunter die Sinfonischen Dichtungen und die berühmte h-moll Sonate.

Liszt (1834) mit 21 Jahren  Liszt (1840) spielt für Alexander Dumas d.Ä., George Sand, Gräfin Marie d'Agoult (sitzend) und Hector Berlioz, Niccolò Paganini und Gioachino Rossini (stehend) in Paris (Gemälde von Josef Danhauser)

Gräfin Marie d'Agoult (Porträt von Henri Lehmann, 1839) Cosimas Mutter

 Cosima, die Tochter Franz Liszts
             
Liszt (1834) mit 21 Jahren   Liszt (1840) spielt für Alexander Dumas d.Ä., George Sand, Gräfin Marie d'Agoult (sitzend) und Hector Berlioz, Niccolò Paganini und Gioachino Rossini (stehend) in Paris (Gemälde von Josef Danhauser)   Gräfin Marie d'Agoult (Porträt von Henri Lehmann, 1839) Cosimas Mutter   Cosima, die Tochter Franz Liszts

Als Leiter der Weimarer Hofkapelle wurde Franz Liszt in den folgenden Jahren zum wichtigsten Förderer Richard Wagners. Nachdem Liszt in einem Konzert bereits die „Tannhäuser”- Ouvertüre (zusammen mit dem 4. Akt aus Meyerbeers „Hugenotten”) aufgeführt hatte, leitete er am 16. Februar 1849, dem Geburtstag der Großherzogin Maria Pavlova, die komplette Aufführung des „Tannhäuser” im Weimar, der nach der verunglückten Premiere 1845 in Dresden unter Wagners Leitung bereits in Vergessenheit geraten war. Liszts Einstudierung war die erste Aufführung nach der Uraufführung vier Jahre zuvor, am 19. Oktober 1845. Wagner konnte zu dieser Aufführung nicht anreisen, bedankte sich jedoch euphorisch in einem Brief vom 20. Februar 1849.

Lesen Sie den Brief Richard Wagners an Franz Liszt vom 20. Februar 1849.

Richard Wagner (1853) Steckbrief Richard Wagner und Franz Liszt

Wagner mit Cosima, Liszt und Friedrich Nietzsche in Bayreuth

Wagner und Liszt
             
Richard Wagner (1853) Steckbrief   Richard Wagner und Franz Liszt   Wagner mit Cosima, Liszt und Friedrich Nietzsche
in Bayreuth
  Wagner und Liszt

Franz Liszt unterstützte Wagner jedoch nicht nur künstlerisch, sondern auch finanziell und half ihm sogar bei seiner Flucht vor der Polizei. Denn nur drei Monate nach der Tannhäuser-Aufführung musste Wagner wegen der Teilnahme am Dresdner Mai-Aufstand Deutschland verlassen; auf seiner Flucht versteckte er sich zunächst bei Liszt in der Altenburg, doch als wenig später ein polizeilicher Steckbrief veröffentlicht wurde, riet Liszt zur Flucht nach Paris und schrieb bereits am Tag nach Wagners Ankunft ein Empfehlungsschreiben an seinen dortigen früheren Sekretär und Konzertbegleiter Gaëtano Belloni. Auch mit Geld half Liszt aus und organisierte die weitere Flucht nach Jena, wo Wagner einen falschen Pass erhalten sollte. Einige Tage verbrachte Wagner mit Liszt in Weimar und Eisenach, bevor er am 19. Mai über Oberweimar und Mellingen weiter nach Magdala floh. Dort mietete er sich unter dem Namen „Prof. Werder” bei J. Wernsdorf ein, einem eingeweihten Freund Liszts, wo dann auch seine Frau Minna eintraf.

Franz Liszt (1843) Caroline von Sayn-Wittgenstein

Die Altenburg in Weimar

Liszt mit seiner Tochter Cosima
             
Franz Liszt (1843)   Caroline von Sayn-Wittgenstein   Die Altenburg in Weimar   Liszt mit seiner Tochter Cosima

Die kommenden zehn Jahre wurden nun zu den intensivsten in der Beziehung der beiden Freunde. Während Wagner in Zürich die theoretischen Grundlagen für seine Opernreform erarbeitete, führte Liszt in Weimar erstmals den „Lohengrin“ auf, feierte „Wagner-Wochen“ mit dem „Tannhäuser“ und dem „Fliegenden Holländer“ und hielt die Musik des Verbannten über Klavier-Transkriptionen und Dirigate in Deutschland lebendig. Er verfasste auch einen Aufsatz über den „Tannhäuser” , der am 18. Mai 1849 im Pariser „Journal des Debats” erschien. Damit wollte Liszt nicht nur Wagners „Tannhäuser” in Frankreich bekannt machen, sondern er hegte die Absicht, seine Tätigkeit in der Provinzstadt Weimar als idealtypische Form der Kunstförderung zu präsentieren. Da Wagner wenig später überraschend in Paris eintraf, entstand jedoch der Eindruck, Liszt habe gezielt auf eine Aufführung des „Tannhäuser” hinarbeiten wollen.

In den folgenden Jahren erhielt Wagner regelmäßig finanzielle Unterstützung durch Liszt, der Rechnungen für ihn bezahlte oder ihm Geld zukommen ließ. Liszts finanziellen Möglichkeiten waren jedoch begrenzt, denn sein Gehalt in Weimar war, verglichen mit den Einnahmen, die er als Pianist erzielt hatte, gering, und seine Lebensgefährtin hatte durch die Scheidung von ihrem Ehemann ihr gesamtes Vermögen verloren.

Franz Liszt (ca. 1850)
   
Franz Liszt (ca. 1850)  

Wagner geriet in seinem Schweizer Exil künstlerisch in Vergessenheit, denn weder ausländische noch deutsche Bühnen wollten seine Opern aufführen. In seiner Not wandte er sich im April 1850 verzweifelt an Liszt und flehte ihn an, den „Lohengrin”, den er bereits zwei Jahre zuvor beendet hatte, in Weimar zu Uraufführung anzunehmen: „Ich lege Dir hiermit meine Bitte an das Herz: führe meinen Lohengrin auf! Du bist der Einzige, an den ich diese Bitte richten würde: niemand als Dir vertraue ich die Creation diese Oper an: aber Dir übergebe ich sie mit vollster, freudigster Ruhe. Führe sie auf wo Du willst: gleichviel wenn es selbst nur in Weimar ist: ich bin gewiß, Du wirst alle möglichen und nöthigen Mittel herbeischaffen, und man wird Dir nichts abschlagen. Führe den Lohengrin auf und laß sein Inslebentreten Dein Werk sein.”

Für die Uraufführung des „Lohengrin“ in Weimar wählte Liszt dann einen besonderen Anlass: die Herder-Goethe-Feiern im August 1850. Diese Feierlichkeiten sollten für Liszt den Beginn eines kulturpolitischen Reformprojektes darstellen, er wollte einen Brückenschlag zwischen der großen Kultur der Weimarer Klassik und der Kunst der Gegenwart vollziehen. Durch die Gründung einer „Goethestiftung” wollte er die Voraussetzungen für eine umfassende Förderung der Kultur geschaffen werden, Weimar sollte zu einer kulturellen Hauptstadt mit weltweiter Ausstrahlung werden. Liszt plante alljährlich Wettbewerbe für Literatur, Malerei, Skulptur und Musik. Die ausgezeichneten Werke sollten dann im Rahmen von Festspielen der Öffentlichkeit präsentiert werden. Zum Auftakt der Feiern am 25. August 1850 wurde anlässlich des Geburtstags Herders dessen Standbild eingeweiht, am Abend spielte das Hoftheater Herders „Der entfesselte Prometheus” mit der Bühnenmusik von Liszt, die er später zu einer Symphonischen Dichtung umarbeitete.

Am 28. August, Goethes Geburtstag, dirigiert Liszt dann die Uraufführung des „Lohengrin”. Wagner konnte als politischer Flüchtling in der Schweiz die Premiere nicht besuchen und verbrachte den Abend zusammen mit seiner Frau Minna in einem Gasthof bei Luzern, wobei er Anfang und das Ende der Aufführung in Weimar innerlich intensiv nachvollziehen wollte. Zudem hatte er Liszt mit genauen Instruktion für Aufführung und Regie versorgt.

 

 Franz Liszt (um 1853)
   
  Franz Liszt (um 1853)

Lesen Sie Wagners Instruktionen für die Aufführung des "Lohengrin" in Weimar 1850

Über den Verlauf der Premiere in Weimar wurde Wagner eingehend von Karl Ritter, Musikdirektor am Theater in Zürich, informiert, der ihm berichtete, dass die Aufführung von den Vorgaben Wagners in einigen Details abgewichen war. Hierüber beklagte sich Wagner bei Liszt in einem Schreiben aus Zürich vom 8. September 1850: „So viel steht vor allem fest: die Vorstellung hat durch die Länge ihrer Zeitdauer ermüdet. Ich gestehe meinen Schreck, als ich erfuhr, die Oper habe bis hart gegen 11 Uhr nachts gespielt. Ich hatte mir, bereits nachdem ich sie beendigt, die ganze Oper genau nach ihrer Zeitdauer vorgeführt, und nach meiner Annahme berechnet, daß der 1. Akt nicht viel über eine Stunde, der 2. Akt 5/4 Stunde, der letzte wiederum etwas über eine Stunde dauern sollte, so daß ich, die Zwischenakte mit gerechnet, die Dauer der Oper von 6 Uhr bis höchstens 3/4 auf 10 Uhr anschlug”. Die Ursache für die lange Spieldauer waren sehr wahrscheinlich die Rezitative, die von den Sängern in Weimar nur schleppend vorgetragen werden konnten.

Nach dem Ende der Weimarer Feiern begann Liszt mit der Arbeit an einem Essay über „Lohengrin”. Das Manuskript, das er wie immer auf Französisch verfasste, schickte er zu Wagner nach Zürich, wo es von Karl Ritter und Hans von Bülow ins Deutsche übertragen wurde. Ergänzt um einige Notenbeispiele erschien der Lohengrin-Aufsatz 1851 zuerst in der „Illustrieren Zeitung” in Leipzig. Kurz darauf veröffentlichte Liszt in Paris den Essay zusammen mit seinem „Tannhäuser”-Aufsatz als Buch, jetzt mit dem Titel: „Lohengrin-Große romantische Oper von R. Wagner und ihre erste Aufführung in Weimar anläßlich der Herder- und Goethe-Feiern”.

Lesen Sie Franz Liszts Aufsatz zu Wagners "Lohengrin"

Liszt hatte seinen Lohengrin-Aufsatz mit der Absicht geschrieben, Wagner einen Kompositionsauftrag des Weimarer Hofes für „Siegfrieds Tod” (der späteren „Götterdämmerung”) zu verschaffen und Wagner so die Rückkehr nach Deutschland zu ermöglichen. Für Wagner bedeutet dies einen wesentlichen Anstoß, seine Arbeit am „Ring des Nibelungen” fortzusetzen. Nachdem er das Manuskript gelesen hatte, schrieb er am 25. November 1850 an Liszt: „Ja, ja! lieber, guter Liszt! Dir verdanke ich es, daß ich nun bald ganz wieder Künstler sein kann. Ich betrachte die endliche Aufnahme meiner künstlerischen Pläne, zu der ich mich nun wende, als einen der entscheidendsten Momente in meinem Leben: zwischen der musikalischen Ausführung meines Lohengrin und der meines Siegfried liegt für mich eine stürmische, aber – ich weiß – fruchtbare Welt. Ich hatte ein ganzes Leben hinter mir aufzuräumen, alles Dämmernde in ihm mir zum Bewußtsein zu bringen, die notwendig mir aufgestiegene Reflexion durch sie selbst – durch innigstes Eingehen auf ihren Gegenstand – zu bewältigen, um mich mit klarem heiteren Bewußtsein wieder in das schöne Unbewußtsein des Kunstschaffens zu werfen.”

Als Wagner 1851 seinen kurzen Aufsatz „Mitteilung an meine Freunde” über die Entstehung des „Ring des Nibelungen” verfasste, stand in der ersten Fassung noch die Absichtserklärung, den „Ring” in Weimar aufzuführen. In der schließlich publizierten Version von „Mitteilung an meine Freunde” hat Wagner jedoch diese Ankündigung wieder gestrichen, da er inzwischen den Plan entwickelt hatte, den „Ring” nur in einem eigenen Theater zu spielen. Auch war die Beziehung zu Liszt in der Zwischenzeit getrübt worden. Ein Grund war offenkundig Wagners antisemitische Schrift „Das Judenthum in der Musik”, die Wagner unter dem Pseudonym K. Freigedank 1850 veröffentlicht hatte. Liszt verlangte im April 1851 Auskunft von Wagner über seine Autorenschaft. Wagner reagierte in einem aggressiven Ton und mit einer erneuten Polemik gegen Meyerbeer.

Lesen Sie Wagners Brief an Franz Liszt über „Das Judenthum in der Musik“.

Franz Liszt verfolgte dennoch weiterhin das Ziel, den „Ring des Nibelungen” in Weimar aufzuführen. So veranstaltete er etwa eine Lesung von „Siegfrieds Tod” für den Erzherzog von Weimar und versprach Wagner, ihn während der Uraufführung an vier Tagen hintereinander zum Abendessen einzuladen, wenn er nur nach Deutschland kommen könne.

Immer wieder setzte sich Liszt in den folgenden Jahren für die Heimkehr Wagners aus dem Schweizer Exil ein. 1856 verfasste Wagner auf Vermittlung Liszts ein Gnadengesuch an den Sächsischen König, ohne aber damit die erhoffte Amnestie zu erreichen. Nachdem Liszt am 15. Dezember 1858 während der Uraufführung von Peter Cornelius’ Oper „Der Barbier von Bagdad” ausgepfiffen wurde, kündigte er seine Stellung als Kapellmeister in Weimar. Die Uraufführung wurde zum größten Eklat in der Weimarer Theatergeschichte, der vom Direktor Franz von Dingelstedt gegen Liszt angezettelt wurde. Bereits als Liszt vor das Ensemble trat, begannen Teile des Publikums zu raunen, und in den Begrüßungsapplaus mischte sich deutliches Zischen. Offensichtlich sollten die Mitwirkenden nervös gemacht werden. Während des Schlussapplauses eskalierte die Situation: „Eine bis dahin in den Annalen Weimars noch nicht erhörte Opposition stellte sich mit hartnäckigem Zischen gleich von Anfang dem Applaus gegenüber, sie war eine bestellte, wohlorganisierte, zweckmäßig verteilte. […] Am Schluß erhob sich ein Kampf von zehn Minuten. Der Großherzog hatte anhaltend applaudiert, die Zischer fuhren nichts destoweniger fort.“ Weitere finanzielle Unterstützung für Wagner konnte Liszt jetzt nicht mehr aufbringen.

Franz Liszt (1858) Cosima, ihr Vater Franz Liszt (am Klavier) und Hans von Bülow

Liszt spielt vor Kaiser Franz Joseph und Kaiserin Elisabeth in der Redoute von Buda (1867)

         
Franz Liszt (1858)   Cosima, ihr Vater Franz Liszt (am Klavier)
und Hans von Bülow
  Liszt spielt vor Kaiser Franz Joseph und Kaiserin Elisabeth in der Redoute von Buda (1867)

Wagner bekannte 1859, dass er nach der Bekanntschaft mit den Kompositionen Liszts „ein ganz andrer Kerl als Harmoniker“ geworden sei. Beide komponierten einen „Faust“, und zumindest dem Stoff nach überschneiden sich der „Tannhäuser“ und Liszts „Legende von der heiligen Elisabeth“. Als Liszt Wagner in Venedig Ende 1858 die Partitur seiner „Dante-Sinfonie” und die „Graner Messe” ankündigte und ihn gleichzeitig darum bat, ihm den 2. Akt von „Tristan und Isolde” zu schicken, schrieb Wagner am Sylvester-Abend unverschämt zurück: „Ich brauche von der Welt nur Geld: sonst habe ich alles. – Den Übermutsparoxismus hast Du zu verantworten, durch Deine Freude über den 1. Akt des Tristan. Wenn Du den zweiten kennen wirst, so wirst Du mir auch verzeihen, wenn ich heute nichts andres schreie als – Geld! Geld! – Gleichviel wie und woher. Der Tristan zahlt alles wieder! – Wenn ich ganz verrückt werde, telegraphiere ich Dir noch mit meinem letzten Napoleon! – Adieu! Gut Neujahr! Schick Dante und Messe! Aber zunächst – Geld!” Eine Antwort bekam Wagner erst mit einiger Verzögerung: „Um nicht mehr der Gefahr ausgesetzt zu sein Dir durch ´pathetisch, ernste´ Redensarten lästig zu fallen, schicke ich den 1. Akt des Tristan an Härtel zurück, und werde mir ausbitten, die übrigen erst nach ihrem Verlagserscheinen kennen zu lernen. – Da die Dante-Sinfonie und Messe nicht als Bank-Aktien gelten können, wird es überflüssig, sie nach Venedig zu senden. Als nicht weniger überflüssig erachte ich auch fernerhin telegraphische Not-Depeschen und verletzende Briefe von dort zu erhalten”.

Im Oktober 1861 reiste Franz Liszt nach Rom. Ursprünglich hatte er gehofft, dort durch den Papst die Ehe seiner Lebensgefährtin Carolyne von Sayn-Wittgenstein annullieren lassen zu können, doch scheiterte der Plan durch die Intrigen der Familien Carolynes. Liszt blieb in Italien, wo er sich zunehmend vor der Öffentlichkeit zurückzog.

1864 kam Liszt erstmals wieder nach Deutschland, um an der Versammlung der Tonkünstler-Vereinigung in Karlsruhe teilzunehmen. Jetzt erfuhr Liszt, dass seine Tochter Cosima, die seit 1857 mit dem Dirigenten und Liszt-Schüler Hans von Bülow verheiratet war, ein Verhältnis mit Richard Wagner begonnen hatte. Auf einer gemeinsamen Reise mit Cosima und Hans von Bülow nach Ungarn versuchte Liszt vergeblich, die Ehe zu retten. Immer war Liszt hinter dem „grösseren“ Komponisten zurückgetreten – auch dann, wenn Wagner musikalische Motive von ihm übernahm wie im „Parsifal“ oder als es galt, die Bayreuther Festspiele durchzusetzen. Da kam Liszt von Weimar herüber und „machte den Pudel“ für Wagner, wie er sagte, er gab seine damals berühmtere Person für Werbezwecke her.

Franz Liszt (1858) Cosima, ihr Vater Franz Liszt (am Klavier) und Hans von Bülow

Liszt spielt vor Kaiser Franz Joseph und Kaiserin Elisabeth in der Redoute von Buda (1867)

         
Franz Liszt spielt vor Papst Pius IX. in Rom (1859)   Cosima (stehend) mit ihren Geschwistern Daniel und Blandine, Oma Anna Liszt und der Erzieherin Mme de Saint-Mars (um 1853)   Cosima mit Richard Wagner und dem gemeinsamen Sohn Siegfried (1873)

Nach seiner Rückkehr nach Rom, empfing Liszt 1865 in einer feierlichen Zeremonie die niederen Weihen als „Ostiarius” und wurde Abbé. Die dafür erforderliche Beichte wurde durch den Papst nach mehreren Stunden vorzeitig beendet, angeblich soll der überforderte Pontifex verzweifelt gerufen haben: „Basta, caro Liszt!“ Als Liszts Tochter Cosima Ende des Jahres 1868 mit ihren Kindern endgltig zu ihrem Geliebten Richard Wagner in die Schweiz übersiedelte, brach ihr Vater den Kontakt zu seiner „terrible fille“ und seinem Freund für mehrere Jahre ab. Er lebte weiterhin in Rom, regelmäßig reiste er nur nach Weimar, um dort zu unterrichten.

1867 reiste Liszt heimlich zu Wagner nach Tribschen, um sich mit ihm auszusprechen – sie waren allein. Die frisch komponierte „Meistersinger“-Partitur lag auf dem Tisch. Liszt setzte sich ans Klavier und spielte das neue Werk mit größter Begeisterung vom Blatt. Die Versöhnung war da, die alte Freundschaft lebte wieder auf. Im Mai 1872 kam es zu einer vorsichtigen Aussöhnung mit Wagner, der nun seit 1870 mit Cosima verheiratet war. „Keine Note“ hätte die Welt von ihm gehört, hätte er seinen Franz nicht gehabt, bekannte Wagner nach dem ersten „Ring“-Zyklus in Bayreuth, und er wiederholte solche Äußerungen nach der Uraufführung des „Parsifal“, die Liszt in Begleitung einiger Schüler im Juli 1882 besuchte.

 Franz Liszt im Alter
   
  Franz Liszt im Alter

Im November 1882 besuchte Liszt Wagner ein letztes mal in Venedig und wohnte bei ihm im Palazzo Vendramin, wo er nach einem Blick auf den Canal Grande das impressionistische Klavierstück „Die Trauergondel“ komponierte. Wagner hatte für den revolutionären musikalischen Spätstil seines Schwiegervaters, mit dem dieser die Tore zur neuen Musik aufgestoßen hat, allerdings nur Spott und Hohn übrig, aus der Perspektive des Hauses Wahnfried war man bestrebt, den Vater und Schwiegervater, Retter, Förderer und Freund auf ein Nebengeleis der Musikgeschichte abzuschieben. Im November 1882 notierte Tochter Cosima in ihr Tagebuch: „Am späten Abend, wie wir allein sind, ergeht sich R. über die jüngsten Kompositionen meines Vaters, er muß sie durchaus sinnlos finden und drückt das eingehend und scharf aus.“ Der Schwiedersohn sprach sogar von „keimenden Wahnsinn“ und „Missklängen“, denen er nichts abzugewinnen vermochte. „Pour Bayreuth, je ne suis pas un compositeur, mais un agent publicitaire“, hat Liszt selbst erkannt. Der Altersunterschied zwischen Liszt und Wagner betrug nur zwei Jahre, musikalisch trennten sie am Ende ihres Lebens aber Welten. Nur einen Monat nach dem letzten Zusammentreffen in Venedig starb Wagner, zwei Klavierwerke folgten, mit denen Liszts um den toten Gefährten trauerte: „R. W. Venezia“ und „Am Grabe Richard Wagners“.

In den folgenden drei Jahren hatte Liszt auch keinen Kontakt mehr zu seiner Tochter Cosima, er existierte Liszt in Wagners Haus, der Villa Wahnfried, nicht mehr. Oder nur als leicht bespöttelte Figur, die niemanden interessierte. „Der Abbé“ hieß es in der Familie Wagner ironisch, wenn von Liszt die Rede war, und neben dem „Abbé“ gab es den ebenfalls verachteten „Klaviervirtuosen“, der in die Sphäre der Salons und Kammerkonzerte gehörte. Als er 1886 ihrer Einladung zu den Bayreuther Festspielen folgte, starb er dort am 31. Juli 1886 und wurde auf dem Friedhof in Bayreuth begraben.

Franz Liszt (1843) Caroline von Sayn-Wittgenstein

Die Altenburg in Weimar

Liszt mit seiner Tochter Cosima
             
Liszt (1832)   Liszt (Zeichnung von Jean-Auguste-Dominique Ingres, 1839)   Liszt spielt für Josef Kriehuber, Hector Berlioz, Carl Czerny und Heinrich W. Ernst (Lithographie von Kriehuber, 1846)   Liszt in ungarischer Nationaltracht

Liszts Musik weist den Weg ins 20. Jahrhundert, die Fürstin Wittgenstein erkannte sie als Verbindungsglied zwischen Romantik und Moderne: „Man versteht seinen Genius noch nicht – viel weniger als den von Wagner, weil Wagner eine Reaktion der Gegenwart repräsentiert; Liszt aber hat seinen Speer viel weiter in die Zukunft geworfen. – Es werden mehrere Generationen vergehen, bevor er ganz und gar begriffen sein wird.“ Und Ferruccio Busoni konstatierte: „Im letzten Grunde stammen wir alle von ihm – Wagner nicht ausgenommen – und verdanken ihm das Geringere, das wir vermögen. César Franck, Richard Strauss, Debussy, die vorletzten Russen insgesamt, sind Zweige seines Baumes.“