Eliza Wille
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Eliza Wille |
Schriftstellerin
* 9. März 1809, Itzehoe / † 23. Dezember 1903, Mariafeld
Eliza Wille wurde als Tochter des englisch-deutschen Reeders Robert Miles Sloman in Hamburg geboren. Seit ihrer Jugend war sie literarisch tätig. 1835 veröffentlichte sie bei Hoffmann und Campe in Hamburg anonym ihr Erstlingswerk, den Gedichtzyklus "Der Sang des fremden Sängers. Eine Phantasie". Das Buch wurde bereits im selben Jahr von der Zensur in Preußen verboten, da es als Unterstützung für die Aufständischen in Polen verstanden wurde. Während einer Reise nach Paris lernte sie Ludwig Börne kennen, der ihre schriftstellerische Arbeiten schätze. Chopin inspirierte „Der Sang des fremden Sängers“ zu einer - nicht aufgezeichneten – Klavier-Improvisatation. 1836 erschien ein weiterer Gedichtband Willes, 1850 der zweibändige Roman „Felicitas".
Seit 1851 lebte Eliza Wille mit ihrem Ehemann, dem Schweizer Journalisten François Wille, auf dem Landgut Mariafeld in der Nähe des Zürichsees. Ihr Haus wurde zu einem Treffpunkt von Künstlern und Wissenschaftlern. Richard Wagner war dort seit 1852 regelmäßiger Gast. Im Dezember 1852, drei Tage nachdem er das Libretto des „Ring des Nibelungen“ fertig gestellt hatte, fuhr Wagner zusammen mit Georg Herwegh nach Mariafeld und trug dort den gesamten Text vor. Er berichtet von dieser ersten Lesung in seiner Autobiographie „Mein Leben“:
„Da ich gegen Abend eintraf, ward sogleich das ‚Rheingold’ vorgenommen, und da es noch nicht zu spät schien und jede Anstrengung mir unschädlich zugetraut wurde, ließ ich bis Mitternacht auch noch die ‚Walküre’ folgen. Des anderen Morgens kam nach dem Frühstück ‚Siegfried’ dran und am Abend schloß ich mit der ‚Götterdämmerung’. Ich glaube Grund zu haben, mit dem Eindrucke zufrieden zu sein, namentlich die Frauen begaben sich in anständiger Erregung jedes Gespräch darüber. Mir verblieb leider eine fast beängstigende Aufregung davon; ich war schlaflos und des anderen gegen jede Unterhaltung so scheu, daß niemand meinen eiligen Abschied begriff".
Nach Abschluss der Arbeit am „Ring“-Libretto lernte Wagner erstmals die Schriften Arthur Schopenhauers kennen, dem er ein gedrucktes Textbuch des „Ring“ zukommen ließ. Auf Bitten Wagners reiste François Wille, der Wagners Begeisterung für den zu dieser Zeit fast völlig vergessenen Philosophen teilte, nach Frankfurt, um Schopenhauer zu einem Besuch bei Wagner in Zürich einzuladen. Schopenhauer lehnte jedoch ab und ließ Wagner durch François Wille ausrichten: „Sagen Sie Ihrem Freunde Wagner in meinem Namen Dank für die Zusendung seiner Nibelungen, allein er solle die Musik an den Nagel hängen, er hat mehr Genie zum Dichter! Ich, Schopenhauer, bleibe Rossini und Mozart treu!“
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Haus François und Eliza Wille in Mariafeld bei Zürich |
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Arthur Schopenhauer |
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François Wille |
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Mathilde Wesendonck |
Eliza Wille wurde in Zürich eine Vertraute Wagners in Liebesdingen und versuchte, in der Beziehung zwischen Wagner, seiner Ehefrau Minna und Mathilde Wesendonck zu vermitteln. Der Briefwechsel zwischen Wagner und Mathilde Wesendonck wurde sogar teilweise über Eliza Wille geführt.
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Gut Mariafeld heute |
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Als Wagner im März 1864 vor seinen Gläubigern aus Wien fliehen musste, gewährte ihm Eliza Wille Unterschlupf. Wagner hatte zunächst Eliza Wille gebeten, bei Otto und Mathilde Wesendonck nachzufragen, ob er bei diesen für einige Zeit wohnen könne. Als dies jedoch von Otto Wesendonck brüsk abgelehnt wurde, erhielt er Quartier in Mariafeld bei Eliza Wille, deren Ehemann sich auf einer Reise nach Konstantinopel befand. Wagner hatte beinahe seinen gesamten Hausrat in Wien zurückgelassen und musste in ein leer stehendes Nebengebäude einziehen, das nur schwer zu beheizen war, und über keinerlei Mobiliar verfügte. Seine eigenen Möbel waren in der Zwischenzeit in Wien zwangsweise verkauft worden. In Mariafeld blieb Wagner beinahe vier Wochen, nur einmal erhielt er Besuch vom Ehepaar Wesendonck, die ihm jedoch nicht mehr unterstützen wollten und ihm nur einige Möbel herber schickten. Wagner verbrachte seine Tage von morgens bis abends in einen schweren Pelzmantel gehüllt, er schrieb zahlreiche Briefe, in der Absicht, finanzielle Unterstützung zu erhalten. Eliza Wille versorgte Wagner mit Büchern aus ihrer umfangreichen Bibliothek, er berichtete ihr von seiner Zeit in Wien, das er als „die einzige musikalische Stadt Deutschlands“ bezeichnete. »Ein gutes, wahrhaft hilfreiches Wunder muß mir jetzt begegnen; sonst ist's aus!« schrieb er am 8. April an seinen Freund, den Komponisten Peter Cornelius. Eliza Wille versuchte ihn zu ermutigen und sprach, nachdem sie bewundernd in seine Manuskript-Mappen und Entwürfe Einblick genommen hatte, immer noch von herrlicher Zukunft. Am meisten vermisste Wagner jedoch seinen Hund, den er ebenfalls in Wien zurückgelassen hatte.
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Briefwechsel Wagners
mit Eliza Wille |
Eines Tages offenbarte er sich kühn gegenüber Eliza Wille: „Ich bin anders organisiert, habe reizbare Nerven; Schönheit, Glanz und Licht muß ich haben! Die ist mir schuldig, was ich brauche! Ich kann nicht leben auf einer elenden Organistenstelle wir Ihr Meister Bach! - Ist es denn eine unerhörte Forderung, wenn ich meine, das bißchen Luxus, das ich leiden mag, komme mir zu?"
Als schließlich François Wille von seiner Reise zurückkehrte, gab es Ärger denn Wagner hatte während seines dreiwöchigen Aufenthaltes dessen Zigarren weggeraucht. Der Hausherr meinte indigniert, „man wolle doch in seinem eigenen Hause auch etwas sein“ und so lieh sich Wagner von Wille das Reisegeld und flüchtete weiter.
Über François Wille schrieb Wagner in „Mein Lebenì: „Der Hauptgenosse Herweghs war Dr. François Wille. Diesen hatte ich schon vor längerer Zeit zum ersten Male bei Herwegh kennengelernt: er zeichnete sich durch ein in Studenten-Duellen zerfetztes Gesicht aus, ausserdem durch eine zuversichtliche Neigung zu witzigen, drastischen Bemerkungen. Seit kurzem hatte er sich bei Meilen am Züricher See mit seiner Familie niedergelassen, und mich mit Herwegh öfter veranlasst ihn dort zu besuchen. Wir trafen da die Gewohnheiten einer Hamburger Familie an, welche durch seine Frau, eine Tochter des reichen Schiffsreeders Sloman, in ziemlicher Wohlhabenheit erhalten wurde.“
Der von König Ludwig II. nach Wagner ausgesandte Kabinettssekretär Pfistermeister kam auf seiner Suche 1864 auch nach Mariafeld und erlebte dieselbe Situation wie zuvor in der Wesendonck-Villa in Zürich: Wagner war weg, und so musste sich Pfistermeister von Fluchtstation zu Fluchtstation weiterhangeln, bis er Wagner endlich am 3. Mai 1864 im Stuttgarter Hotel Marquardt aufstöberte.
In den seinen späteren Lebensjahren hatte Wagner keinen persönlichen Kontakt mehr zu Eliza Wille. |