Kundry
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Klingsor verflucht Kundry (Gemälde von Franz Stassen) |
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Die Figur der Kundry in seiner letzten Oper "Parsifal" hat Wagner in seinen Prosaentwurf zu diesem Werk, den er in wenigen Tagen im August 1856 verfasste, bereits als weiblichen Ahasver, den ewigen Juden geschildert:
"Kundry lebt ein unermeßliches Leben unter stets wechselnden Wiedergeburten, in Folge einer uralten Verwünschung, die sie, ähnlich dem "ewigen Juden", dazu verdammt, in neuen Gestalten das Leiden der
Liebesverführung über die Männer zu bringen; Erlösung, Auflösung, gänzliches Erlöschen ist ihr nur verheißen, wenn einst ein reinster, blühendster Mann ihrer machtvollsten Verführung widerstehen würde.
Noch keiner hat ihr widerstanden. Nach jedem neuen, ihr endlich tief innerlichst so verhaßten Siege, nach
jedem neuen Falle eines Mannes, verfällt sie in Rasen; sie flüchtet dann in die Wildnisse, und weiß sich der Macht ihrer Verwünschung durch die strengen Büßungen und Kasteiungen längere Zeit zu entziehen: doch ist ihr verwehrt, auf diesem Wege das Heil zu finden. Unbewußt steigt in ihr immer wieder die Sehnsucht auf, durch einen Mann erlöst zu werden, wie der Fluch ihr ja auch einzig diesen Weg der Erlösung anzeigt".
Nach der christlich-antijüdischen Legende war Ahasver ein jüdischer Schumacher, der Jesus nicht gestattet hat, auf dem Weg zur Kreuzigung vor seinem Haus auszuruhen. In einer weiteren Version hat der Jude Jesus am Kreuz verlacht, weshalb er dazu verdammt wurde, rastlos auf der Welt umherzuwandern. Auch Kundry hat Jesus am Kreuz ausgelacht. Für seine Kundry hat Wagner noch ein sexuelles Motiv hinzugefügt. Sie ist nicht nur zur ruhelosen Wanderschaft verflucht, sondern auch dazu, Männer zu verführen.
Im ersten Akt der Oper ist Kundry die einzige Frau im Gralstempel. Sie überbringt den Rittern einen Balsam, der dem kranken Amfortas heilen soll. In der Regieanweisung wird dieser Auftritt geschildert:
"Kundry stürzt hastig, fast taumelnd herein. Wilde Kleidung, hoch geschürzt; Gürtel von Schlangenhäuten lang herabhängend; schwarzes, in losen Zöpfen flatterndes Haar; tief braun-rötliche Gesichtsfarbe; stechende schwarze Augen, zuweilen wild aufblitzend, öfters wie todesstarr und unbeweglich".
Kundry Balsam kann jedoch keine Heilung bringen. Im zweiten Akt, in der Gegenwelt von Klingsors Zauberschloss, ist Kundry die Verführerin des Parsifal. Sie küsst Parsifal, der in diesem Augenblick urplötzlich die Erlösungsbedürftigkeit des Amfortas erkennt. Jetzt verweigert Parsifal den Beischlaf und stößt sie von sich. Im dritten Akt wird Parsifal mit seinem Speer Amfortas heilen. Kundry hält sich in einer Dornenhecke versteckt, wird jedoch entdeckt. Sie wäscht Parsifal die Füße und wird so zu einer Art Maria Magdalena. Nach der Heilung des Amfortas wird Parsifal mit den Worten "Höchsten Heiles Wunder! Erlösung dem Erlöser" zum neuen Gralskönig ausgerufen. Kundry wird von Parsifal getauft, sie sinkt vor Parsifal zu Boden und stirbt. Sie wird zur Vernichtung getauft und durch ihren Tod erlöst.
Mit diesem Finale hat Wagner ein weiteres Motiv aus seiner antisemitischen Vorstellungswelt in seine Oper integriert: Die Vorstellung der Erlösungsbedürftigkeit aller Juden, die jedoch nur durch den Tod der Juden zu erreichen sei. Entsprechend hatte Wagner am Ende von "Das Judenthum in der Musik" formuliert: "Aber bedenkt, daß nur Eines eure Erlösung von dem auf Euch lastenden Fluche sein kann: Die Erlösung Ahasvers, - der Untergang". Das Kundry-Motiv fand auch in anderen politischen Kontexten Verwendung. Am 6. März 1883 hielt der junge Student Hermann Bahr, später ein bedeutender Schriftsteller und Dramatiker, an der Wiener Universität eine Trauerrede auf Richard Wagner. Bahr war zu dieser Zeit alldeutsch gesonnen und stand der Partei von Georg von Schönerer nahe. Österreich nannte er in seiner Ansprache eine "schwerbüßende Kundry, die sehnsüchtig des Erlösers harrt". Kurz darauf wurde Bahr von der Universität Wien endgültig ausgeschlossen. |